Ich habe jahrelang Integrationskurse gegeben und davor eben andere Deutschkurse für Ausländer.
Mich stört an den bisherigen Leserbriefen, dass sie recht undifferenziert sind. Bei den TN gibt es enorme Unterschiede. Es gibt nicht nur die, die man motivieren muss bzw. mit dem Lasso einfangen muss. Es gibt sehr viele TN, die wirklich und ernsthaft freiwillig lernen und das sind nicht nur Afrikaner, Russen, Polen, Asiaten usw., sondern auch Türken und Araber.
Wie bei allen Prozessen im Bildungsbereich (auch in anderen Bereichen) hängt die Einstellung zur aktuellen Situation von den Vorerfahrungen ab. Wenn ich geringe Lernerfahrungen habe, tue ich mich schwer mit dem Lernen. Wenn diese Erfahrungen dann auch noch weit zurückliegen, ist es umso schwerer. Zumindest am Anfang. Das ist wohl der Grund, warum ältere Araber und Türken, besonders die Frauen, mehr Probleme haben als vor allem TN aus dem ehemaligen Ostblock. Deutsche ohne Migrationshintergrund und mit diesen Vorerfahrungen lernen andere Sprachen auch sehr schlecht. Trotzdem ist und bleibt das Lernen der deutschen Sprache eine Bringschuld der Migranten. Andere Staaten machen Sprachtests, wer die besteht, kann rein, wer nicht, muss lernen oder hat halt Pech gehabt. Der Test, der in Deutschland bei der Einwanderung gemacht wird, ist ein Witz. Wer den nicht besteht, hat echt ein Problem und zwar nicht nur mit der deutschen Sprache.
Nun ist es aber so, dass viele Migranten nach Deutschland gekommen sind, als es diesen Integrationsdruck noch nicht gab. Ich denke, dass es unfair ist, diesen Menschen das anzukreiden. In der Türkei hat sich einiges im Bildungsbereich in den vergangenen Jahren getan. Die jungen Menschen, die jetzt aus der Türkei kommen, bringen bessere Vorerfahrungen und andere Einstellungen mit. (Bei den Arabern ist das nicht ganz so) Sie lernen besser und sprechen auch schneller ein gutes Deutsch.
Das an der Kinderbetreuung gespart wird, ist für mich verständlich und nachvollziehbar. Es ist nicht einsehbar, dass Migrantenkinder nicht in deutsche KITAs o.Ä. untergebracht werden können. Die Argumente, die mir oftmals gegannt wurden, sind erschreckend. Meistens hieß es, dass man deutschen Insitutionen nicht traue. Das finde ich einen nicht hinnehmbaren Hammer. Ich frage mich dann immer, warum die in diesem Land sind. Einzelne KITAs sind bestimmt so, dass aber zu pauschalisieren, ist nicht gerechtfertigt. Es gibt wenige TN, die KITAs o.Ä. suchen, in denen möglichst wenig Migrantenkinder sind. Das sind meistens Akademiker, die dies vor dem Hintergrund des Wunsches einer möglichst schnellen Integration ihrer Kinder tun. Einzusehen ist die Kinderunterbringung vor Ort nur bei ganz kleinen Kindern, denn zum einen wollen die oft nur die Mama und die entsprechende Mama will immer in der Nähe des Kindes sein. Das ist nicht nur bei Türken, Arabern Albanern ...so, dass ist auch in Deutschland Tradition.
Sehr bedauerlich und lernhemmend finde ich die neue Reglementierung der Teilzeitkurse. Die Teilzeitkurse sind sehr lernerfreundlich und fördern die Entwicklung. Denn mit zunehmender Sicherheit in der Sprache, gehen die TN auch zunehmend sicher in die Öffentlichkeit. Sicherheit zu entwickeln brauch aber Zeit. Ein Beispiel: Ich hatte eine türkische TNin, die sich am Anfangdes Kurses weigerte, Hausaufgaben im praktischen Bereich (Holen eines Konzertprogrammen, beispielsweise) zu erledigen. Ihr Argument war immer, dass sie sich nicht traue und Angst habe, nicht verstanden zuwerden und sich zu blamieren. Nach vielen Gesprächen vor, während und nach dem Unterricht hatte sie den Mut, aber den für ein gleich ganz großes Projekt. Sie wollte mit dem Zug nach Paris, um ihre Schwester zu besuchen. Das schien mir recht hoch gegriffen zu sein, trotzdem haben wir (separat vom Kurs) die Redemittel geübt. Ihr Mann (Türke, gute Deutschkenntnisse) war absolut dagegen, weil das seiner Meinung nach viel Geld kosten könne, wenn sie zu wenig versteht oder nicht richtig fragen kann. Sie ließ sich nicht beirren und ist ohne Begleitung zum Bahnhof gegangen, hat sich beraten lassen und hat die Tickets gekauft. Sie war danach "fertig mit der Welt", aber überglücklich, dass alles geklappt hat und sie die Tickets hatte. Weil sie sich aber auch wirklich alles erklären ließ, hat dieses Gespräch über zwei Stunden gedauert! (Vielen Dank an dieser Stelle an die Bahn, bei der so etwas möglich ist) Ihr Mann hat alles im Internet kontrolliert und war stolz ohne Ende auf seine Frau, denn sie hatte wirklich die beste und günstigste Verbindung bekommen. Danach hatte die TN wesentlich mehr Mut, mit Deutschen zu sprechen. In einem 600-UE-Vollzeit-Kurs wäre dies unmöglich gewesen. Die Zeit hätte nie im Leben gereicht, die Hemmungen abzubauen. Es war ein Abendkurs mit 3x4UE und relativ vielen Ferien.
Die Neuregelung der TZ-Kurse ist zudem arbeitnehmerfeindlich. 20 UE am Feierabend sind definitiv für Otto-Normalverbraucher-Migranten zu viel. Da kann einem nun wirklich jede Motivation abhanden kommen. Denn es sind ja nicht nur die Unterrichstzeiten, es gibt Hausaufgaben und Lernen. Für Akademiker mag das anders sein, auch für andere hochspezialisierte und entsprechend ausgebildete Migranten ebenso. die bekommen allerdings meistens individuelle, vom Arbeitgeber bezahlte Lernoptionen. Ich habe Bekannten, die immer meinten, die Migranten sollen sich nicht so anstellen und lernen. Denen habe ich immer unmittelbar vor Beginn und unmittelbar nach Ende des Unterrichts eine SMS geschickt. Nach ein paar Wochen haben sie kapiert, was ich meine und dass es sehr wohl eine Leistung, die akzeptiert und geachtet werden muss, ist einen Integrationskurs zu besuchen. Auch, wenn es eine Bringschuld ist.
Die Bezahlung der Dozenten ist miserabel. Die im Artikel angeführten 18 €/UE sind Standard bei seriösen Anbietern. Damit ist aber nur die Zeit im Unterrichtsraum bezahlt. Unterrichtsvor- und Nachbearbeiten, Korrekturen von Hausaufgaben und Tests, Prüfungsvorbereitungen .... sind nicht mit inbegriffen. Diese Arbeiten werden als selbstverständlich vorausgesetzt, womit sich die 18 € wieder relativieren, vor allem, wenn man die ganzen Abzüge und Anschaffungen bedenkt.
Auch hier in Beispiel zum Verdeutlichen: Vor der Abschlussprüfung macht jeder Dozent Prüfungstraining. In der Prüfung muss ein Brief geschrieben werden. Jeder Dozent trainiert das. Ich habe es so trainiert: Ich habe den TN einenBrief als Hausaufgabe bis Freitag abzugeben aufgegeben. Die habe ich dann am Wochenende korrigiert. Bei den TN, die auf einem niedriegen Niveau waren, ging das recht fix, da ich nur das Notwendigste korrigiert habe, so dass sie es annehmen und umsetzen können.
Bei den anderen TN habe ich von vornherein ein extra Blatt genommen, die Fehler im Brief durchnummeriert, Wiederholungsfhler mit der selben Zahl versehen und dann zu jedem Fehler einen Kommentar geschrieben. (Warum falsch, wie heißt die Regel, u.U. Ausnahme erklärt, Übungen speziell dazu rausgesucht) Im Durchschnitt habe ich eine Stunde pro Brief gebraucht. Bei 18-23 TN/Kurs kann sich jeder selbst ausrechnen, wie meine Wochenenden aussahen.
Das ist einer der Gründe, warum ich aus dem Geschäft ausgestiegen bin, sehr schweren Herzens. Ich habe die Arbeit wirklich geliebt. Ein anderer Grund war, dass es zu einem immer verschärfteren Konkurrenzkampf zwischen den Trägern gekommen ist und dies unmittelbare Auswirkungen auf die Arbeitssituation hat. Es werden immer mehr Extra-Leistungen der Dozenten verlangt und das bei insgesamt sinkenden Vergütungen. Die Arbeitsverhältnisse werden immer unsicherer und die Buhlerei immer schlimmer.
Ich bin Deutsche ohne Migrationshintergrund und habe kein Problem damit. In Kursen, in denen die TN sprachlich und intellektuell dazu in der Lage waren, habe ich gerne Diskussionen über Werte und der gleichen geführt. In Kursen, in denn dasnicht der Fall war, habe ich es gelassen. Bevor jetzt jemand sagt, dass ich ausländerfeindlich bin: Intelligenz ist in allen Völkern gleich verteilt, es gibt genügend Deutsche, mit denen ich solche Diskussionen auch nicht führen würde. Wenn ich dann aber Probleme mit meinem Träger bekomme, weil ich gegen Antisemitismus bin und für gleiche Ausbildungschancen von Männern und Frauen wohlgemerkt, unabhängig von der Herkunft und weitere Einstellungen, die in der deutschen Gesellschaft ganz normal sind, vertrete, dann verstehe ich Sinn und Zweck der Integrationskurse nicht mehr. Sie sollen sprachlich, aber auch zum Teil sozial integrieren. Und das geht m.E. nur dann, wenn kontroverse Themen (wenn vor allem die sprachlichen Voraussetzungen dafür da sind) angesprochen werden.
Fazit: Integrationskurse sind gut, wichtig und richtig, aber es läuft viel schief.
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