Expertin über Aggression in der Partnerschaft: "Gewalt von Frauen ist wenig gravierend"

Soziologin Barbara Kavemann plädiert für die präzise Auswertung von Daten. Männer üben sehr viel schwerere Gewalt aus und sollten sich mit schädigenden Männlichkeitsbildern auseinandersetzen.

"Es kommt darauf an, was mit Gewalt gemeint ist." Bild: imago/imagebroker

taz: Frau Kavemann, ein Drittel der befragten Frauen ist laut Peter Döges neuer Männerstudie generell gewalttätig. Ein Fünftel ist dies zu Hause gegenüber dem eigenen Partner und damit genauso oft wie männliche Gewalttäter umgekehrt. Überraschen Sie diese Zahlen?

Barbara Kavemann: Nein. Es kommt darauf an, was mit Gewalt gemeint ist.

Döge zählt von psychischer Gewalt wie anschreien und kontrollieren bis zu schwerer und sexueller Gewalt alles dazu. Ist das falsch?

Barbara Kavemann, 61, ist Soziologin und Honorarprofessorin an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin. Ihr Schwerpunktthema ist Gewalt im Geschlechterverhältnis.

Nein, das ist grundsätzlich richtig. Aber man muss dann in der Auswertung auch sehr präzise bleiben. Wir haben ja die empirischen Daten dazu, dass die Gewalt, die von Frauen ausgeht, wenig gravierend und wenig verletzend ist. Die harten Gewalttaten gibt es auch, aber sie sind nicht die Regel. Von Männern dagegen geht in Partnerschaften zusätzlich noch sehr viel schwere Gewalt aus. Der polizeiliche Schutz vor solcher Gewalt greift übrigens bei männlichen und weiblichen Opfern gleichermaßen.

Aber erst, wenn es zu körperlicher Gewalt kommt. Herr Döge betont, dass die psychische Gewalt genauso gravierende Folgen haben kann wie körperliche.

Ja, psychische Gewalt ist sehr schädigend. Aber dieser Gewalt kommt man eher mit Beratung und Therapie bei als mit der Justiz: Frauen und Männer müssen dabei unterstützt werden, dass sie solche schädigenden Lebensverhältnisse verlassen.

Hat die Frauenhausbewegung den gewalttätigen Anteil der Frauen übersehen?

Nein. Das sehen Sie daran, dass die Häuser auch lesbische Frauen aufnehmen, die von ihrer Partnerin Gewalt erfahren haben. Sie haben mit Gewalt zwischen Bewohnerinnen im Haus zu tun, mit Rassismus und vor allem mit Gewalt gegen Kinder. Diese "familiäre Gewalt" muss aber anders bearbeitet werden: mit dem Jugendamt, in Beratungen und in der Therapie. Dafür sind Frauenhäuser nicht da. Ihr Auftrag ist auf den Schutz der Frauen vor schwerer Gewalt begrenzt.

Was müsste denn Frau Schröder als Männerministerin nun tun?

Die Orte, an denen Männer sich mit Angst und Verletzlichkeit auseinandersetzen können, müssen bekannter werden. Denn es ist gut, wenn Männer das konstruktiv tun anstatt nur verdrängend und ausagierend. Die Ministerin könnte dafür werben, dass Männer sich mit schädigenden - auch sie selbst schädigenden - Formen von Männlichkeit auseinandersetzen. Ich finde nämlich den Tenor der Debatte im Moment merkwürdig: Als seien die engagierten Frauen daran schuld, dass bei den Männern bisher nichts passiert ist. Das ist doch sehr verdreht.

INTERVIEW: HEIDE OESTREICH

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