Experte über Abfall: "Den Müll zu trennen ist wichtig"
Verbraucher sollten ihren Unrat nicht achtlos in eine Tonne werfen, sagt Experte Jürgen Giegrich. Und die Regierung müsse dafür sorgen, dass weniger Müll entsteht – und eine Ressourcensteuer erheben.
taz: Herr Giegrich, viele Leute finden Müll trennen unsinnig, wird doch hinterher alles wieder zusammengekippt, glauben sie. Zu Recht?
Jürgen Giegrich: Nein, das wäre im Fall der Verpackungsabfälle sogar kriminell. In Deutschland werden mehr als 62 Prozent des Siedlungsabfalls stofflich wiederverwertet. Der Rest wird verbrannt, das Wenigste abgelagert. Getrennt sammeln ist wichtig, auch wenn hinterher alles noch einmal nachsortiert wird.
Ist Recycling wirklich besser als Verbrennen?
52, ist Geschäftsführer des Heidelberger IFEU-Instituts. Dort befasst sich der Diplom-Physiker unter anderem mit Abfallwirtschaft und Stoffstrommanagement.
Alle Untersuchungen zeigen, dass eine hochwertige stoffliche Verwertung ökologisch gesehen besser ist als die Verbrennung. Die Energiebilanzen sind besser, aber vor allem: Wenn sie etwas verbrennen, ist es unwiederbringlich verloren. Das können wir uns nicht leisten.
Dieser Tage stellt das Umweltministerium den Entwurf eines neuen Abfallgesetzes vor. Darin legt sie eine Recyclingquote von 65 Prozent für das Jahr 2020 fest. Reicht das aus?
Nein, das ist nicht sehr ehrgeizig. Das erfüllen wir doch jetzt schon fast. Die Umweltverbände und sogar die Entsorgungsindustrie hatten höhere Quoten gefordert.
Warum kommt die Bundesregierung dem nicht nach?
Da werden die Müllverbrenner ein wenig mitgeredet haben. Momentan haben wir zu viel Verbrennungskapazität, und immer noch wird dazugebaut. Die Kosten dafür müssen ja wieder hereinkommen. Die Überkapazitäten machen die Verbrennung zudem billiger, sodass der stofflichen Verwertung Abfallmengen verloren gehen.
Die privaten Entsorgungsunternehmen vermitteln den Eindruck, dass vor allem die Kommunen auf Müllverbrennung setzen. Stimmt das?
Nein, der Eindruck täuscht. Auch viele private Unternehmen haben in Müllverbrennungsanlagen investiert.
Verbrennen ist schlechter als Recycling. Und wie ökologisch ist Mehrweg?
Da laufen gerade neue Studien, aber in der Vergangenheit haben Mehrweg-Pet-Flaschen immer am besten abgeschnitten. Die Ökobilanzen von Glasflaschen muss man sich genau anschauen. Glas kann man zwar oft wiederverwenden und verwerten, aber es ist in der Herstellung und auch im Recyceln aufwendig. Insbesondere Umlaufzahlen und Transportentfernung spielen eine Rolle.
Besser wäre es aber doch, wenn einfach weniger Abfall produziert würde. Warum spielt Abfallvermeidung kaum eine Rolle?
Abfallvermeidung ist ein ungeliebtes Kind, man muss mit der Gesetzgebung tief in die Wirtschaft eingreifen. Damit machen sich Politiker keine Freunde. Dabei hätten wir jetzt bei der Formulierung des neuen Gesetzes die Chance, der Vermeidung und der stofflichen Verwertung mehr Raum zu geben.
Was wäre denn ein sinnvolles Instrument, um Abfall zu vermeiden?
Man könnte zum Beispiel Einwegartikel verbieten oder durch Gebühren verteuern, wenn sie als weniger umweltfreundlich als entsprechende Mehrwegsysteme erkannt worden sind. Auch Kennzeichnungspflichten helfen. Zum Beispiel könnte der blaue Engel besonders langlebige Produkte auszeichnen. Letztlich hilft aber nur, Materialien teurer zu machen. So, wie die Ökosteuer Energie verteuert, könnte eine Ressourcensteuer Materialien teurer machen - und dafür die Arbeit billiger. Dienstleistungen statt Produkte ist hier das Stichwort. Müllvermeidung braucht grundsätzliche Vorgehensweisen. Alles andere ist nur ein Herumkurieren an Kleinigkeiten.
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