Experimente in der Leichtathletik: Die müssen vorspringen
Im Frauen-Weitsprung wird der Abschied vom Balken ausprobiert. Sensationelle Rekorde fehlen aber noch.
M etaphernsicher hat sich Malaika Mihambo ausgedrückt. Als die Weitsprungolympiasiegerin am Freitag in Karlsruhe mit 7,07 Metern den 30 Jahre alten Meetingrekord von Heike Drechsler geknackt hatte, sagte sie: „Natürlich sind es große Fußstapfen, und es gibt natürlich andere Rekorde, die noch spannender sind als so ein Meetingrekord.“
Was sie meinen könnte: springen, ohne darauf zu achten, dass die Füße exakt passen – wenn schon nicht in Drechslers Abdrücke, so doch auf den Balken. „Take-off-Zone“ ist der Fachausdruck, und damit experimentiert der Leichtathletikweltverband World Athletics derzeit, zunächst nur im Frauensport.
Am Sonntag beim ISTAF Indoor in Düsseldorf sprangen die Sportlerinnen erstmals bei einem großen Wettkampf nicht von einem 20 Zentimeter langen Balken ab, sondern aus einem 40 Zentimeter langen Bereich, eben jener Take-off-Zone. Gemessen wird dann die effektive Weite von der Fußspitze ab.
Was damit erreicht werden soll? „Das bedeutet, dass jeder Sprung zählt“, sagt World-Athletics-Geschäftsführer Jon Ridgeon. „Das erhöht die Spannung und die Dramatik des Wettkampfs.“
Der Männer-Weltrekord soll mythisch bleiben
Warum das aber zunächst bei den Frauen eingeführt wird, das lässt sich nur vermuten. Der Männer-Weitsprung lebt seit Jahrzehnten von den wenigen legendären Bestmarken, die diese Sportart so mythisch machen: 1968 sprang Bob Beamon 8,90 Meter weit, 1991 landete Mike Powell nach 8,95 Metern.
Alle warten nun auf die 9,00 Meter, und World Athletics will vermeiden, dass die ausgerechnet in einer Testphase mit der neuen Absprungzone geknackt werden. Der schöne Mythos könnte zum Deubel sein.
Beim Frauen-Weitsprung deuten schon die Ländernennung und der Ort, in dem Galina Tschistjakowa 1988 ihren Weltrekord von 7,52 Metern sprang, an, wie lang das her ist: Die Frau aus der Sowjetunion sprang in Leningrad.
Aber vom Knacken der sensationellen 8,00 Meter sind die Frauen aktuell doch weiter entfernt als die Männer von ihren 9,00 Metern.
Beim ersten Testlauf, dem Meeting in Düsseldorf, sprang Malaika Mihambo 6,87 Meter. Von ihrer eigenen Bestmarke von 7,30 Metern ist das weit entfernt, von Heike Drechslers noch gültigem deutschen Rekord von 7,48 Metern erst recht.
Es bleibt also noch ein Stück weit bei Drechslers Fußstapfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!