Experimental-Hip-Hopper Gonjasufi: Mein Geist ist betrübt
Gonjasufi ist die seltsamste Stimme der experimentellen US-HipHop-Szene. Sein Album "A Sufi and a Killer" hat die Botschaft: mehr Spiritualität, weniger Religion.
Sumach Valentine hat eine Menge Wut im Bauch. "Ohne Yoga, ohne meine Familie und ohne Musik, die für mich gleichbedeutend ist mit Gott, wäre ich gefährlich", so der 1978 in San Diego geborene Musiker. Er weiß, wovon er spricht. Bevor er über den Sufismus zum Yoga fand, durchlebte der Sohn aus gutem Hause eine unkontrollierte Phase als Junkie, während der er sich auf den Straßen Kaliforniens herumtrieb.
Heute wohnt er mit seiner Frau und drei Kindern in Las Vegas und arbeitet als Yogalehrer. Vielleicht muss man so extreme Erfahrungen gemacht haben, um zu klingen wie er. Denn Gonjasufi, wie Sumach sich als Künstler nennt, hat mit seinem Debüt "A Sufi and a Killer" eines der bisher wildesten Pop-Alben des Jahres abgeliefert, auf dem er mit seiner Stimme durch fast alle Höhen und Tiefen der menschlichen Existenz stolpert.
Im Gespräch wirkt Gonjasufi alles andere als aggressiv, sondern friedlich und gelassen. Man glaubt ihm gern, wenn er sagt, dass die Arbeit an seinem Debüt für ihn eine Möglichkeit war, sich von seinen Ängsten und seinem Hass zu befreien. Auch der Killer im Albumtitel ist nicht unbedingt nur Gonjasufis Alter Ego: Maßgeblich produziert wurde die verdrehte Mixtur aus Soul, Psychedelic, Banghra und HipHop von einem Musiker namens The Gaslamp Killer.
Gonjasufi und der Gaslamp Killer gehören zur experimentellen HipHop-Szene von Los Angeles um den mittlerweile zum Star avancierten Produzenten Flying Lotus. Auf dessen vorletztem Album "Los Angeles" konnte man Gonjasufi schon als Gastsänger erleben, im Gegenzug hat Flying Lotus die Beats zu einem Song von "A Sufi and a Killer" beigesteuert. Obwohl die Stücke überwiegend auf Samples beruhen, klingt Gonjasufi nur in Ansätzen nach HipHop oder elektronischer Musik. Oft meint man sogar, eine durchgedrehte Psychedelic-Band daddeln zu hören.
Das Zusammentreffen mit dem für die verqueren Retro-Töne zuständigen William Bensussen alias The Gaslamp Killer war für Gonjasufi ein Glücksfall. "Wir haben das gleiche Ohr für Musik, es ist fast so, als hätte ich das linke Ohr und er das rechte. Wir müssen nicht sprechen, er weiß, was ich für Sachen mag." Bensussen ist mit seinem wüsten Stilmix, der gern in bedrohlich-eingetrübten Szenarien wildert, bestens geeignet, um Gonjasufis Stimme, die zwischen sanftem Flüstern, verzerrtem Krähen, heiserem Meckern und diversen Zwischenschattierungen wechselt, den passenden paranoiden Rahmen zu geben. Dass er in seiner eigenen Musik dem Irrsinn Gonjasufis in nichts nachsteht, kann man auf seiner Debüt-EP "My Troubled Mind", die auf Flying Lotus Label Brainfeeder erschienen ist, mühelos nachvollziehen.
Für die Zukunft hat Gonjasufi allerdings schon wieder neue Ideen, denn im Grunde wollte er von Anfang an mit Musikern zusammenspielen. "Gaslamp Killer hat für mich die Band ersetzt." Und obwohl sich in den gemeinsamen Sessions genug Material für ein komplettes weiteres Album angesammelt hat, will er erst einmal keine Samples mehr benutzen. "Mein Plan ist, eine Band zusammenzustellen." Mit den Musikern möchte er an seinen bisherigen Songs arbeiten.
HipHop sollen sie nicht unbedingt spielen: "Die Siebziger, Mann, die Sachen von Zeppelin, Jimi und Black Sabbath, das ist, was ich will." So ganz falsch liegt er mit diesem Wunsch wohl nicht. Selbst der Laptop-Nerd Flying Lotus befand über Gonjasufis Vorliebe für nostalgische Klänge: "Diese alten Samples passen einfach zu seiner Stimme, sie ist genau richtig für diese Vibes." Und dann ist da noch die Botschaft seiner Songs. Hier erweist sich Gonjasufi zwar als durch und durch spirituell, aber nicht eigentlich religiös.
Auch wenn er die Welt verbessern will, muss man von ihm keinen Bekenntnisrap fürchten. Was er zu sagen hat, klingt sehr irdisch und zugleich sehr weit draußen. So singt er in seinem Song "Sheep" aus Perspektive zweier Löwen über das passive Herdenverhalten von Menschen, ohne moralistisch zu werden. Als Kind koptischer Christen geboren, beschäftigte er sich schon am College mit dem Islam und gelangte schließlich zum Sufismus, ohne sich mit einer bestimmten Konfession identifizieren zu wollen. Den Alleinvertretungsanspruch der Religionen in Gottesdingen sieht Sumach nämlich äußerst kritisch: "Die Religionen stehen Gott eigentlich im Wege."
Er akzeptiert daher jede Religion, da es seiner Meinung nach ohnehin nur einen Gott gibt und sie im Prinzip alle eins sind - was er mit einer Art "Kreisparabel" illustriert: "Es ist wie ein Kreis mit einem Mittelpunkt, bei dem alle auf einem bestimmten Ausschnitt des Kreises stehen. Von dort schauen sie zur Mitte und sagen: Dies ist der einzige Weg zur Mitte. Dabei ist es ganz egal, wie wir dorthin kommen."
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