Experiment im Atlantik gescheitert: Meeresdüngung fast ohne Klimaeffekt
Forscher düngten Algen mit Eisensulfat, um CO2 zu binden - unter Protest von Naturschützern. Nun liegen Ergebnisse des Experiments vor: statt Algen wächst die Krebspopulation.
Als die "Polarstern" des Alfred-Wegener-Instituts vor mehr als zwei Monaten auf Expedition ging, hatte das Forschungsschiff mit 20 Tonnen Eisensulfat auch reichlich Zündstoff für Streit geladen. Das Experiment "Lohafex" sollte die Wirkung von Eisendünger auf das Algenwachstum untersuchen. Umweltschützer liefen Sturm, Umwelt- und Wissenschaftsministerium gerieten aneinander. Das Forscherteam aus Deutschland und Indien ist inzwischen mit ersten Ergebnissen zurück von der umstrittenen Expedition. Zurück bleibt ein Schwarm wohl genährter Krebse im Südatlantik. Das Klima profitiert davon aber kaum.
"Die Dichte der Algen nahm zunächst wie erwartet zu", sagt Expeditionsleiter Victor Smetacek. Nach der zweiten Woche begannen allerdings die nur vier Milimeter großen Ruderfußkrebse im Algengarten zu wildern. Die stehen wiederum auf dem Speiseplan des garnelenähnlichen Flohkrebses und sorgten für noch mehr gefräßige Gesellschaft. Was die Wissenschaft als unerwarteten "Fraßdruck" bezeichnet, bedeutet für das Eisendüngungsexperiment: Die Algen kamen erst gar nicht dazu, ihren Dienst am Klima zu erweisen.
Algen nehmen beim Wachstum Kohlendioxid auf. Sterben die Pflanzen, lagern sich ihre Überreste samt Kohlenstoff am Meeresboden ab. Mehr Algen bedeuten nach dieser vereinfachten Rechnung also mehr gebundenes Kohlendioxid und damit eine Entlastung für Atmosphäre und Klima.
Für dieses vermehrte Algenwachstum soll die Düngung durch Eisensulfat sorgen. Das Forscherteam brachte deshalb 20 Tonnen des Meeresdüngers auf einer Fläche von 300 Quadratkilometern aus und beobachtete schon früh, dass die forcierte Algenblüte vor allem den kleineren Krebstieren zugute kommt.
Das dämpfte die Hoffnungen, große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid langfristig im Südozean binden zu können, so Smetacek: "Während der Lohafex-Blüte wurde weniger Kohlendioxid aus der Atmosphäre im Ozean aufgenommen als bei früheren Experimenten". Lohafex ist bereits das zwölfte Experiment zur Eisendüngung weltweit und das dritte mit deutscher Beteiligung.
Frühere Versuche wurden in anderen Regionen mit einem starken Vorkommen der Kieselalge vorgenommen: Die hat eine härtere "Schale" und ist gegen den Hunger von Algenfressern wie dem Ruderfußkrebs deshalb besser gefeit. Das Wachstum anderer Kleinalgen kann durch Eisendüngung zwar stimuliert werden, schließen die Wissenschaftler, jedoch fehlt ihnen der "Fraßschutz" der Kieselalgen. Die Düngung großer Flächen des Südozeans würde demnach für den Klimaschutz wenig Sinn machen.
Das Lohafex-Experiment hatte vor allem wegen der Bonner Beschlüsse im Rahmen der Konvention zum Schutz der Biodiversität von 2008 für Streit gesorgt, die ein Moratorium für Eisendüngungsexperimente vorsehen. Auch das Bundesumweltministerium sah sich zur Intervention gezwungen. Wissenschaftsministerium und Alfred-Wegener-Institut berufen sich aber auf die Grundlagenforschung.
"Das Experiment hat gezeigt, dass Ökosysteme sehr unterschiedlich auf die Eisendüngung reagieren", sagt AWI-Direktorin Karin Lochte. Die Diskussion um einen großflächigen Einsatz der Eisendüngung werde komplizierter: "Einfache Rechnungen gehen bei der Meeresdüngung nicht auf." Vor der kommerziellen Nutzung der Düngung im Namen des Klimaschutzes hatten auch Umweltorganisationen vehement gewarnt: Sie fürchten eine Störung der empfindlichen Ökosysteme der Ozeane.
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