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Exorzismus-Doku im WDRTeufel befiehl, wir folgen

In den 60ern hatte sich die katholische Kirche von Teufelsglauben verabschiedet. Doch unter Benedikt XVI. erlebt der Exorzismus eine Renaissance (WDR, Do, 23.15 Uhr).

Teufelszeichen – gehalten von Francesco Bamonte, Professor an der päpstlichen Uni Regina Apolostolorum, die seit einigen Jahren wieder Exorzismuskurse anbietet. Bild: reuters

Wie in einem schlechten Film kommt man sich vor, hört man die Tonbandaufnahmen des Klingenberger Exorzismus von 1976 zum ersten Mal. Eine tiefe krächzende Stimme kommentiert gehässig die Gebete der Priester, windet sich, flucht. So in etwa würde man sich eben die Stimme des Leibhaftigen auch vorstellen. Dass das unschuldig wirkende, hübsche Mädchen auf dem Foto neben dem Tonbandgerät gerade zu hören ist, macht die Sache allerdings ein bisschen gruselig.

Was als Filmvorlage zu Titeln wie "Der Exorzismus von Emily Rose" geführt hat, hat bei Anneliese Michel zum Tod geführt. "Es ist vollbracht", steht auf ihrem Grabstein, zu dem alljährlich Gläubige pilgern. Es sei ein gottgewolltes Opfer gewesen, meinten die Eltern. 58 Jahre wäre sie heute alt.

Der Fernsehjournalist Helge Cramer war damals schon als Reporter für die ARD vor Ort, hat Interviews geführt und sich nun erneut mit diesem Thema auseinandergesetzt – aus gegebenem Anlass. Sahra H. meint vom Bösen befallen zu sein und auch ihr soll der Teufel qua Exorzismus ausgetrieben werden.

Seit wenigen Jahren verzeichnet der Teufelsglaube und mit ihm der Exorzismus innerhalb der katholischen Kirche ein Popularitätshoch wie lange nicht mehr. Joseph Ratzinger, der als eine seiner ersten Amtshandlungen den Exorzismus-Ritus des Rituale Romanum wieder eingeführt hat, bringt seine Überzeugungen zu diesem Thema immer wieder klar zum Ausdruck und lenkt die katholische Kirche in eine erschreckend reaktionäre Richtung. Er empfängt eine Exorzisten-Delegation auf dem Petersplatz in Rom, lobt ihre Dienste und die päpstliche Priesterhochschule Regina Apostolorum bietet neuerdings wieder Exorzismus-Kurse an.

In den 60er Jahren hatte sich die katholische Kirche vom Teufelsglauben und mit ihm vom Exorzismus im zweiten vatikanischen Konzil eigentlich verabschiedet. "Das war also so unglaublich, dass einer wagte, den Teufel abzuschaffen", erinnert sich Katharina Elliger an die damalige Tragweite des Konzils.

"Man kann nur besessen sein, wenn man an den Teufel glaubt"

Elliger hat sich als Theologin intensiv mit Teufels- und Dämonenglauben auseinandergesetzt und verdeutlicht, dass Besessenheit ein reines Glaubensphänomen darstellt. Außerhalb der Theologie und Kirche gebe es schlichtweg keine Besessenheitsliteratur. "Man kann nur besessen sein, wenn man an den Teufel glaubt." Für die katholische Kirche wiederum diene der erfolgreiche Exorzismus als Kompetenzbeweis. Man hat schließlich den Teufel besiegt.

Vor diesem Hintergrund erscheinen die erschreckenden Tonbandaufnahmen von Anneliese Michel und das Filmmaterial von Sahra H. in einem gänzlich anderen Licht. Sie ergeben Sinn. Kein Mensch kann solche Exzesse spielen – außer er glaubt inständig daran. Sahra ist der festen Überzeugung, ein Sühneleiden ertragen zu müssen, um für die Sünden anderer zu büßen. "Nur der Heiland weiß, was er mit mir vorhat", meint sie in einem Interview.

Cramer versteht es in seinem Dokumentarfilm perfekt, die einzelnen Beweg- und Hintergründe im Zusammenhang mit dem Phänomen des Exorzismus herauszuarbeiten, ohne selbst zu kommentieren. Welch perfide Rolle dabei Teilen der katholischen Kirche zukommt, verdeutlichen Auszüge aus dem Klingenberger Exorzismus. Ein Dialog zwischen Anneliese Michel, respektive Teufel, und ihrem Exorzisten: Teufel: "Die Demokratie in der Kirche ist nicht unbedingt immer das Beste. Weil…" Exorzist: "Weil der Teufel größere Macht bekommt?!" Teufel: "Ja."

Die katholische Kirche lässt sich ihre Ausrichtung vom Teufel höchstpersönlich diktieren; der Papst führt heute aus, was die Dämonen der Anneliese Michel damals vorgeschlagen haben. Genau wie der Zölibat, ist der Exorzismus schließlich keine Frage des Glaubens oder der Nächstenliebe, sondern eine Frage der Macht: Wer den Teufel austreiben kann, weiß auch, wer besessen ist. Und da wären wir auch wieder bei Ketzerei und Inquisition. Back to the roots.

"Teufels Werk und Gottes Beitrag", Gründonnerstag, 23.15 Uhr, WDR

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13 Kommentare

 / 
  • AU
    Angst und Schrecken

    Aufgrund dieses Beitrags habe ich mir die Dokumentation angeschaut, retrospektiv betrachtet: angetan.

    Ein wirklich sehr gutes Stück deutsches Fernsehen.

     

    Aber inhaltlich... Mein Gott, für empfindsame Seelen ist da gar nichts gut.

    Was bleibt, ist fassungslose Verstörtheit.

     

    Ja, man kommt sich vor wie in einem schlechtem Film. Und man wünscht sich inständig, in einem schlechten Film zu sein.

     

    Mir ist es kalt den Rücken runtergelaufen. Nicht weil ich an Besessenheit glaube, sondern die absolute Fassungslosigkeit darüber, was in Menschen stecken kann - sowohl bei den "Besessenen" als auch bei den Teufelsaustreibern.

     

    Wie dort mit offenkundig psychotischen Menschen umgegangen wird, ist mir unbegreiflich. Mitten in Deutschland, im 21. Jahrhundert.

    Ich mich gefragt, wer hier eigentlich verrückter ist? Die psychisch kranke Sahra oder die vermutlich hochgebildeten und im sich Vollbesitz ihrer geistigen Fähigkeiten befindenden Teufelsaustreiber?

     

    Besonders erschütternd ein Foto von der toten Anneliese Michel. KZ-Opfer. Wie können halbwegs normale Menschen so etwas zulassen?

     

    Das absolut unlogische Gebaren der katholischen Kirche wird sehr gut verdeutlicht: Da wird "der Teufel" (der von Anneliese Michels Körper Besitz ergriffen haben soll) befragt, wie die Kirche agieren solle. "krächz...Krächz...Die Bischöfe sollen dem Papst gehorchen!!!"

    Das hält die Kirche für richtungsweisend... und agiert dementsprechend.

     

    So so. Das hat also der Teufel, der Kirchenfeind Nr. 1, gesagt. Um der Kirche wieder auf den rechten Weg zu helfen?? Hä?

    Und die Kirche folgt den teuflichen Anweisungen.

    Alles klar. Das soll mir mal einer erklären.

     

    Vielleicht wäre es günstig, wenn Benedikt XVI. und seine Spießgesellen sich zunächst einmal selbst gründlich exorzieren.

    Dann hätte die katholische Kirche vielleicht doch noch eine Chance...

  • U
    Uli

    Wer hilft Sarah H., ist eine berechtigte Frage.

    Ich habe mir die Sendung gestern Abend doch noch angeschaut u. mir schauderte.

    Der Bericht war Gott sei Dank, differenziert aufgestellt u. es kam zumindest für mich, sehr deutlich rüber, wer Sarah H. nicht hilft. Subjektiv erlebt sie diese Art von sich darstellen können sicher als hilfreich,ebenso wie diesen dibuos wirkenden Herrn an iherer Seite. Vom Pfarrer u.dessen Haushälterin o. den Bischöfen, will ich gar nicht erst reden. Doch wäre es sehr wünschenswert, wenn hier von Seiten der Staatsanwaltschaft, mal genauer hingeschaut würde. Die inszenierte Benutzung dieser armen u. offensichtlich verwirrten Seele, ist eine schon bekannte u. traurige, sowie tragische Form von Missbrauch, gerade der Menschen, die sich um Hilfe bittend an diese, nach eigenem Bekunden, Christen wenden. Das macht mich sprachlos u. wütend zugleich.Die Abgründe des piefigen Bürgertums, welches ich eher in den 50er angesiedelt hätte, wurden unangenehm sichtbar. Die restlichen Darstellungen der Doku (Tübinger Dozenten), sprachen im positiven Sinn für sich.Die Rahmenkommentare waren ebenfalls erträglich realistisch. Sarah H. braucht dringend wirkliche Hilfe, die ich ihr von Herzenwünsche.

  • EG
    Elfriede Grein

    Als Anneliese Michel starb, war ich 13 Jahre alt. Mein Vater war Vorarbeiter im Sägewerk Michel, meine Familie pilgerte nach San Damiano und besuchte lateinische Messen. Ich erinnere mich daran, vom Vater "gesegnet" worden zu sein, nachdem auch bei mir und meiner Schwester "Zeichen von Besessenheit" aufgetreten waren ...

    Mit 25 Jahren schaffte ich es, aus der Kirche auszutreten. Nach jahrzehntelanger Psychotherapie stehe ich heute diesen Dingen sehr distanziert gegenüber.

    Nur die eine Frage beschäftigt mich:

    Wer hilft Sarah H. ?

  • CC
    Claus Carstensen

    Die 'Re-Aktivierung' des Teufels ist aus Marketinggründen eine sehr gute Idee. Das Unternehmen Katholische Kirche leidet unter starkem Kundenschwund, und da mussten die Weichen neu gestellt werden.

     

    Der sogenannte Stellvertreter Gottes auf Erden macht das ganz geschickt:

     

    Einerseits hält er allerlei Reden, in denen er auch das Verhältnis zur jüdischen Religion und die nationalsozialistische Geschichte in schönen Worten zu verbessern wollen scheint... andererseits trifft er sich mit Tadeusz Rydzyk zusammen, der offen antieuropäische und antisemitische in einem katholischen Sender vertritt.

     

    Ganz zu schweigen von der unsäglichen Taktik mit dem Pfarrer und Holocaust-Leugner Holocaust-Leugner Richard Williamson.

     

    Er spielt so zu sagen in einer Person Guter Cop und Böser Cop, das macht er schon sehr professionell.

     

    Würde sein Bodenpersonal jetzt noch die Finger von den kleinen Jungs weg kriegen, dann würden nicht doch noch so viele Kunden austreten.

     

    Aber solange die Vatikanbank so gut im Geschäft ist, ist alles halb so schlimm.

  • G
    glglgl

    >von recycle:

    >

    >Mal angenommen, der Teufel ist eine Psychose und der >Exorzismus eine Art Therapie, wie sie auch Schamanen >betreiben würden - wo wäre das große Problem?

     

    dann sollte die Psychose wie eine Psychose behandelt werden, ohne Weihrauch und Bimmelbammel. Weshalb etwas Übernatürliche dazudichten?

  • S
    Sturm

    Exorzismus als Therapie:

     

    Ich kenn mich damit persoenlich nicht so gut aus, aber von "fachkundiger" Seite (d.h. Neoschamanin) habe ich die Meinung erfahren, dass Exorzisten die Bessessenheit mit dem Teufel - d.h. negativ gepraegte Erfahrungen mit erweiterten Bewusstseinszustaenden - beim Patienten ganz aktiv induzieren.

     

    Also werde bei psychisch sensiblen/labilen Personen (und hauptsaechlich diese scheinen ja fuer den ganzen Krempel anfaellig zu sein) die Erfahrung der Teufelsbessesenheit durch das Ritual des Exorzismus induziert, indem der Exorzist die Person aktiv in diese Bewusstseinszustaende draengt, die dann aber nur negativ gepraegt sein duerfen. Da das aber nicht so ist - meiner "schamanischen Informantin" zufolge bewirken Trance-Erlebnisse dass man sich danach gut fuehlt - wollen die Patienten dann wieder exorziert werden.

     

    Ob das jetzt so ist oder nicht - keine Ahnung, was aber mal fest steht ist dass die katholische Kirche - obwohl sie die Existenz von solchen Sphaeren nicht glattweg als Quatsch leugnet - diese halt nur negativ sehen kann. Auch subjektiv schoene Visionen sind theologisch bedenklich - ist alles haeretische Selbsterloesung, man darf sich nur schlecht fuehlen als Suender und auf die Gnade GTTS hoffen, wofuer absolute Bedingung ist, dass man diesen ganzen dogmatischen Unsinn glaubt, der sich in den Jahrhunderten seit dem Tode des beruehmten Schamamen J. von N. angesammelt hat.

  • L
    Lox

    @ Haralt B.

     

    Also, man kann an Gott und Teufel glauben auch OHNE der katholischen Kirche anzugehören. Das weiß sogar ich als überzeugter "Radikalkonstruktivist"... ;o)

  • A
    alekto

    Ob es Literatur dazu geben mag oder nicht: Besessenheit ist keine Erfindung der kath. Kirche, sie tritt in den verschiedensten Religionen und Kulturen auf.

  • O
    Olaf

    Es ist schon sehr schön zu sehen wie sich die katholische Kirche selber auszieht.

    Beängstigend allerdings das noch so viele Menschen einem Glauben folgen der in seine Bestandteile immer weiter aufgeweicht wird und eigentlich in der heutigen Zeit nichts mehr ausser Satire bietet.

    Viel Spass aber weiterhin beim Teufelsaustreiben, verzicht auf Sex vor der Ehe, Kondomverboten, aufgabe der Individualität etc...

    Mensch hört auf Leuten zu folgen die hinter Mauern mit kleinen Jungs spielen und klagt den Laden endlich als Sekte an.

  • R
    recycle

    Mal angenommen, der Teufel ist eine Psychose und der Exorzismus eine Art Therapie, wie sie auch Schamanen betreiben würden - wo wäre das große Problem? Sind Psychopharmaka die einzige Heilvariante, die die taz als fortschrittlich, modern und aufgeklärt gelten lässt?

  • HB
    Haralt B.

    "Man kann nur besessen sein, wenn man an den Teufel glaubt"

    Interessante These. Wenn ich also nicht der Kath. Kirche angehöre kann ich nicht vom Teufel besessen werden.

    Das hieße, logisch Schluss gefolgert, das die Anhänger ihren Glauben ablegen sollten um nicht mit dem Teufel infiziert zu werden.

    Müsste dann nicht auch das Gesundheitsministerium einschreiten, da es sich um die Gesundheit vieler Menschen handelt die potenziell mit dem Teufel infiziert werden könnten? Oder der Verfassungsschutz, da es sich um eine Sekten interne nicht wissenschaftlich belegbare Krankheit handelt?

    Ganz zu schweigen von der Pharmaindustrie der ein Geschäftszweig verwehrt wird der durchaus Rentabel ist z.B. Impfungen.

     

    Frohe Ostern

  • U
    Uli

    Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie weit sich die katholische Kirche u. dort wohl vor allem die Kirchenoberen u. deren Eleven, von der Liebe, die die einzig legitime Botschaft des Christentums sein kann, entfernt. Dies gilt natürlich in gleicher Weise für die anderen großen Religionen. Wenn man sich ein wenig damit beschäftigt, begegnet einem immer nur die Liebe als Essenz. Was da Teufel u. deren Austreibung, in der sogenannten Lehre zu suchen haben, ist mir gänzlich schleierhaft. Für mich ist das einzig diabolische, die Liebesfeindlichkeit, die in den offiziellen "Lehrmeinungen" leider immer wieder zu Tage tritt. Jeder Trennungsgedanke, jeder Wissenanspruch, jede daruas resultierende Ausgerenzung, Verunglimpfung u. Verfolgung ist diabolisch. So müsste man wohl zu aller erst den Kirchenoberen die Exorzismus als sinnvoll erachten einen solchen empfehlen. Der Botschaft die Jesu lehrte folgend, sollte man aber wohl gänzlich auf diesen Spuk verzichten. Sich ihrem erfundenen Ritual zu unterziehen, bleibt der Geistlichkeit natürlich selbst überlassen. Sollte jemand tatsächlich "Zeichen" von "Besessenheit" aufweisen, so ist dies wohl in erster Linie einem fanatischem Glauben zuzuweisen u. natürlich denen, die einen solchen in diese Seelen eingepflanzt haben. Beiden hilft dann wohl nur, eine mitfühlende, liebevolle Zuwendung, die in einigen Fällen wohl auch therapeutisch kompetent ergänzt werden kann/muss.

     

    Wann hört dieser mittelalterliche u. von so viel unnötigem Leid flankierte Spuk endlich auf?

    Anstatt sich mit den wirklich "teuflisch" anmutenden "Altlasten" zu beschäftigen, all das mitverursachte Leid aufzuarbeiten, scheint es wohl einfacher, die verstaubten Irrlehren auszugraben.

     

    Schade!

  • WB
    Wolfgang Bieber

    Der Glaube an den Teufel ist aus der Mode gekommen. Das möchte die Kirche gern verhindern, es gibt ja nicht umsonst Exorzismuskonferenzen:

    http://www.theeuropean.de/alexander-goerlach/6342-exorzismus-hier-und-da