Exorzismus-Doku im WDR: Teufel befiehl, wir folgen
In den 60ern hatte sich die katholische Kirche von Teufelsglauben verabschiedet. Doch unter Benedikt XVI. erlebt der Exorzismus eine Renaissance (WDR, Do, 23.15 Uhr).
Wie in einem schlechten Film kommt man sich vor, hört man die Tonbandaufnahmen des Klingenberger Exorzismus von 1976 zum ersten Mal. Eine tiefe krächzende Stimme kommentiert gehässig die Gebete der Priester, windet sich, flucht. So in etwa würde man sich eben die Stimme des Leibhaftigen auch vorstellen. Dass das unschuldig wirkende, hübsche Mädchen auf dem Foto neben dem Tonbandgerät gerade zu hören ist, macht die Sache allerdings ein bisschen gruselig.
Was als Filmvorlage zu Titeln wie "Der Exorzismus von Emily Rose" geführt hat, hat bei Anneliese Michel zum Tod geführt. "Es ist vollbracht", steht auf ihrem Grabstein, zu dem alljährlich Gläubige pilgern. Es sei ein gottgewolltes Opfer gewesen, meinten die Eltern. 58 Jahre wäre sie heute alt.
Der Fernsehjournalist Helge Cramer war damals schon als Reporter für die ARD vor Ort, hat Interviews geführt und sich nun erneut mit diesem Thema auseinandergesetzt – aus gegebenem Anlass. Sahra H. meint vom Bösen befallen zu sein und auch ihr soll der Teufel qua Exorzismus ausgetrieben werden.
Seit wenigen Jahren verzeichnet der Teufelsglaube und mit ihm der Exorzismus innerhalb der katholischen Kirche ein Popularitätshoch wie lange nicht mehr. Joseph Ratzinger, der als eine seiner ersten Amtshandlungen den Exorzismus-Ritus des Rituale Romanum wieder eingeführt hat, bringt seine Überzeugungen zu diesem Thema immer wieder klar zum Ausdruck und lenkt die katholische Kirche in eine erschreckend reaktionäre Richtung. Er empfängt eine Exorzisten-Delegation auf dem Petersplatz in Rom, lobt ihre Dienste und die päpstliche Priesterhochschule Regina Apostolorum bietet neuerdings wieder Exorzismus-Kurse an.
In den 60er Jahren hatte sich die katholische Kirche vom Teufelsglauben und mit ihm vom Exorzismus im zweiten vatikanischen Konzil eigentlich verabschiedet. "Das war also so unglaublich, dass einer wagte, den Teufel abzuschaffen", erinnert sich Katharina Elliger an die damalige Tragweite des Konzils.
"Man kann nur besessen sein, wenn man an den Teufel glaubt"
Elliger hat sich als Theologin intensiv mit Teufels- und Dämonenglauben auseinandergesetzt und verdeutlicht, dass Besessenheit ein reines Glaubensphänomen darstellt. Außerhalb der Theologie und Kirche gebe es schlichtweg keine Besessenheitsliteratur. "Man kann nur besessen sein, wenn man an den Teufel glaubt." Für die katholische Kirche wiederum diene der erfolgreiche Exorzismus als Kompetenzbeweis. Man hat schließlich den Teufel besiegt.
Vor diesem Hintergrund erscheinen die erschreckenden Tonbandaufnahmen von Anneliese Michel und das Filmmaterial von Sahra H. in einem gänzlich anderen Licht. Sie ergeben Sinn. Kein Mensch kann solche Exzesse spielen – außer er glaubt inständig daran. Sahra ist der festen Überzeugung, ein Sühneleiden ertragen zu müssen, um für die Sünden anderer zu büßen. "Nur der Heiland weiß, was er mit mir vorhat", meint sie in einem Interview.
Cramer versteht es in seinem Dokumentarfilm perfekt, die einzelnen Beweg- und Hintergründe im Zusammenhang mit dem Phänomen des Exorzismus herauszuarbeiten, ohne selbst zu kommentieren. Welch perfide Rolle dabei Teilen der katholischen Kirche zukommt, verdeutlichen Auszüge aus dem Klingenberger Exorzismus. Ein Dialog zwischen Anneliese Michel, respektive Teufel, und ihrem Exorzisten: Teufel: "Die Demokratie in der Kirche ist nicht unbedingt immer das Beste. Weil…" Exorzist: "Weil der Teufel größere Macht bekommt?!" Teufel: "Ja."
Die katholische Kirche lässt sich ihre Ausrichtung vom Teufel höchstpersönlich diktieren; der Papst führt heute aus, was die Dämonen der Anneliese Michel damals vorgeschlagen haben. Genau wie der Zölibat, ist der Exorzismus schließlich keine Frage des Glaubens oder der Nächstenliebe, sondern eine Frage der Macht: Wer den Teufel austreiben kann, weiß auch, wer besessen ist. Und da wären wir auch wieder bei Ketzerei und Inquisition. Back to the roots.
"Teufels Werk und Gottes Beitrag", Gründonnerstag, 23.15 Uhr, WDR
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