Exil-Kubaner über US-Sanktionen: "Obama wird Embargo nicht aufheben"
Eine Mehrheit der Exilkubaner in Miami ist heute für ein Ende des Handelsembargos gegen Kuba, sagt Alfredo Duran. Doch für Obama hat das Thema keine Priorität.
taz: Herr Duran, wenn Sie heute, fünfzig Jahre nach der Revolution, aus Miami auf Ihr Heimatland Kuba blicken - welche Erfolge erkennen Sie dort?
Alfredo Durán, 59, war 1961 bei der gescheiterten Kuba-Invasion in der Schweinebucht dabei. Als Präsident der Veteranenorganisation "Brigade 2506" vertrat er gegenüber Havanna lange eine harte Linie. Als er sah, dass die Sanktionen keine Fürchte trugen, gründete er in den Siebzigern das "Kubanische Komitee für Demokratie" (CCD) und setzte sich fortan für den Dialog ein. Duran ist Rechtsanwalt, er lebt und arbeitet in Miami.
Afredo Duran: Kuba ist weltweit für sein wunderbares Gesundheits- und Bildungssystem bekannt. Sollte es irgendwann einen Wandel geben, dann müssen wir darauf achten, dass diese Errungenschaften der Revolution auch erhalten bleiben. Dazu müssen wir jedoch auch eine Wirtschaft aufbauen, die in der Lage ist, derartige Systeme zu finanzieren. Zu den formellen Erfolgen der Revolution gehört sicherlich auch die Garantie für den Wohnraum. Allerdings ist gerade beim Wohnungsbau der Nachholbedarf immens, und der Verfall der Substanz scheint zügig voranzuschreiten.
Raúl und Fidel Castro haben Barack Obama Gespräche angeboten. Ist das realistisch?
Nein, denn Kuba hat auf der Agenda von Barack Obama keine Priorität. Ich gehe davon aus, dass Barack Obama sein Wahlversprechen halten und die Reisen von Exilkubanern oder Cuban-Americans, wie wir hier in Miami sagen, nach Havanna erleichtern und auch die Hürden für Geldtransfers nach Kuba abbauen wird. Darauf werden sich seine Aktivitäten aber schon beschränken. Denn die Nation bewegen andere Dinge.
Aber dass beide Castro-Brüder sich dialogbereit geben und den künftigen US-Präsidenten gern treffen würden, ist neu.
Fidel und Raúl Castro wissen sehr gut, wie man sich in Szene setzt. Es ist jedoch vermessen, derzeit über ein Treffen auf höchster Ebene oder ein Ende des Handelsembargos zu spekulieren. Um die Reisebeschränkungen und Hürden bei den Geldsendungen aufzuheben, muss Barack Obama nur einige wenige Dokumente unterzeichnen. Für eine Aufhebung des Embargos müsste er Gesetzesvorlagen durch den Kongress bringen oder sein gesamtes politisches Gewicht in die Waagschale legen.
Ist nicht selbst unter Exilkubanern in Miami mittlerweile eine Mehrheit dafür, die Sanktionen aufzuheben?
Der Wandel in Miami ist nicht zu übersehen, er hat sich schon in den letzten Jahren abgezeichnet. Überraschend war nur, dass es schon in diesem Jahr zum Umbruch kam. Dieser Meinungsumschwung hat den ohnehin laufenden Generationswechsel in der Exilgemeinde weiter beschleunigt. Dafür dürfte die prekäre Situation in Kuba nach den Hurrikans einiges beigetragen haben.
Lässt sich das Handelsembargo so einfach aufheben?
Nein, denn das Embargo ist nicht aus einem Guss, sondern besteht aus tausend Einzelteilen, die nicht mit einem einzigen Federstrich beseitigt werden können. Es ist überaus kompliziert, dieses Regelwerk loszuwerden. Deshalb wird sich so schnell auch niemand daran die Finger verbrennen wollen. Festhalten sollte man allerdings auch, dass Barack Obama nie dafür eingetreten ist, das Embargo zu beenden - sondern nur dafür, die Sanktionen für eine begrenzte Zeit aufzuheben. Das war, nachdem die Hurrikans "Gustav" und "Ike" Ende August und Anfang September große Teile Kubas verwüstet hatten. Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied.
Wollen die Castro-Brüder überhaupt verhandeln? Es droht Ihnen damit doch der Verlust des Feindbilds USA?
Ich denke, dass die Castro-Brüder durchaus gewillt sind, die historische Chance zu ergreifen und ernsthaft über eine Normalisierung der Beziehungen zu verhandeln. Die Zeit drängt, denn Fidel ist nicht mehr der Jüngste. Er hat meiner Meinung nach ein starkes Interesse an einem würdevollen Agreement mit den USA, um den historischen Konflikt zu beenden. Ich glaube, dass er Verhandlungen ohne Vorbedingungen und auf Augenhöhe sofort zustimmen würde.
In Kuba ist die Wahl Barack Obamas mit großem Enthusiasmus gefeiert worden. Setzt das die Regierung in Havanna unter Druck, zu verhandeln?
Nicht wirklich. Vielleicht gibt es im Untergrund, hinter den Kulissen Druck auf die Regierung von Raúl Castro. Aber die öffentliche Meinung in Kuba hat in den letzten Jahren nur sehr wenig Einfluss auf den politischen Kurs der Regierung gehabt. Das größte Problem Kubas ist, dass die Leute immer weniger Vertrauen in die eigene Zukunft haben. Es fehlt an Perspektiven. Deshalb verlassen immer mehr junge Leute die Insel in Richtung USA, Mexiko oder Spanien. Diese junge Generation träumt von der Aufhebung des Embargos und der Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Staaten, um neue Perspektiven auf der Insel aufbauen zu können. Das gilt für die junge Generation auf der Insel und die im Exil. Leider sind wir aber noch nicht so weit. Denn fünfzig Jahre Feindschaft lassen sich nicht so schnell unter den Tisch kehren.
Wie denken Sie über die Reformen, die Raúl Castro initiiert hat und die ein großes mediales Echo gefunden haben. Hat der Wandel in Kuba denn wirklich schon begonnen?
Bisher reden wir eher von Ankündigungen. Es gibt keine einzige substanzielle Reform, und die Bevölkerung wartet händeringend auf den angekündigten Wechsel. Selbst im politischen Apparat ist das so, denn die Funktionäre der mittleren Führungsebene, die Generation der 40- und 50-jährigen, sehen die Dinge anders als die alte Garde der Revolution, die Ende siebzig und älter ist. Das könnte ein Grund sein, weshalb der vollmundig verkündete Wandel in der Wirtschaft des Landes nicht vonstattengeht. Meinen Informationen zufolge plädieren die jüngeren Kader für mehr Außenhandel, für mehr internationale Kontakte und für mehr Partizipation an einer globalisierten Welt. Es gibt durchaus Kubaner, welche die Globalisierung als Chance begreifen, weil sie jung, intelligent und gut ausgebildet sind. Allerdings scheint die historische Garde am Status quo festzuhalten.
Sorgt die verheerende ökonomische Lage auf der Insel nicht für Reformdruck?
Kubas Wirtschaft ist in einem katastrophalen Zustand, das ist unstrittig. Sie ist jedoch auch ausgesprochen simpel strukturiert, denn letztlich werden die Ressourcen nur dahin geschoben, wo es gerade nötig erscheint. Es wird latent improvisiert, nicht nach einem Konzept aufgebaut und entwickelt. Wo heute investiert wird, kann morgen schon wieder Schluss sein. Zwar wird in Kuba nicht gehungert. Aber die allermeisten Kubaner leben von der Hand in den Mund - an die eigene Zukunft oder politische Perspektiven ist da kaum zu denken. Man kommt in diesem täglichen Kampf ums Überleben doch kaum zum Luftholen.
Es heißt doch, in Kuba sei die Grundversorgung garantiert?
Ja, die gibt es auf dem Papier - so wie das unentgeltliche Bildungs- und Gesundheitssystem. Aufgrund der prekären Wirtschaftslage ist es jedoch kaum möglich, dieses System zu finanzieren, und die Grundversorgung reicht hinten und vorne nicht.
Welches ist Ihr größter Wunsch für 2009?
Ich wünsche mir, dass es einen friedlichen Wandel in Kuba gibt. Ich denke, dass es Zeit wird, dass die Familien, die durch die Straße von Florida getrennt sind, wieder zusammenfinden. Uns in Miami sollte es endlich wieder gestattet sein, unseren Verwandten in Kuba mit Medikamenten, Gütern und Geld zu helfen. Die Beziehungen zwischen den USA und Kuba müssen normalisiert werden. Denn das würde helfen, die kubanische Gesellschaft in Richtung Demokratie zu öffnen.
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