Ex-Schwimmer erklärt Weltrekord-Flut: "Eine Generation wird demotiviert"
Ex-Schwimmer Mark Warnecke meint, dass die wundersamen Rekorde von Rom allein den neuen Anzügen geschuldet sind. Eine Entwicklung, die der Deutsche Schwimmverband verschlafen habe.
taz: Herr Warnecke, in Rom bei den Schwimm-Weltmeisterschaften purzeln die Rekorde. Sind Sie begeistert oder erschrocken?
Mark Warnecke: Weder noch. Wenn man weiß, wie das alles zusammenhängt, sieht man das sehr nüchtern. Wenn es sich auf die Leistungen des Deutschen Schwimmverbands bezieht, da bin ich involviert und weiß, dass das abzusehen war. Bei Olympia haben wir uns einfach nur schlecht verkauft.
Haben Sie schon einmal einen der neuen Anzüge ausprobiert?
Mark Warnecke
39, ehemaliger Brustschwimmer. Als solcher ist er 2005 Weltmeister über 50 Meter und 1996 Olympiadritter über 100 Meter geworden. Er arbeitet als Orthopäde und vertreibt zudem Diätprodukte für Sportler.
So einen habe ich nicht ausprobiert. Ich habe mal selbst einen entwickelt und dafür 2007 eine 500.000-Euro-Strafandrohung vom Deutschen Schwimmverband bekommen. Dann habe ich das Thema verworfen. Damals wurde immer gesagt: Anzüge, das bringt alles nichts. Wir hätten 2007 schon weltweit Vorreiter sein können. Aber das wollte man nicht.
Der Weltverband versucht jetzt, die Anzüge wieder abzuschaffen, aber die Rekorde nicht.
Es kann für eine ganze Generation sehr frustrierend werden, wenn man weiß, dass man gegen einen Rekord anschwimmt, der unter anderen Umständen zustande kam. Das ist aus Sportlersicht extrem demotivierend.
Wären die Rekorde wirklich so unerreichbar?
Man hat vor ein paar Jahren noch gesagt: Es gibt Zeiten, die wird nie einer brechen. Aber sie wurden gebrochen. Es gab Jahre, da hat man Schwimmer nach Körpergröße ausgesucht. Dann kamen Athleten wie Thomas Rupprath mit ganz anderen Winkelverhältnissen, sie waren kleiner, zierlicher und haben viele Rekorde gebrochen. Unbestritten ist indes: Diese Anzüge bringen viel.
Würden Sie die Anzüge beibehalten wollen?
Das ist schwer zu entscheiden. Aber wer A sagt, muss auch B sagen. Entweder man behält die Anzüge bei und steht dazu mit allen Vor- und Nachteilen: dass es schnellere Zeiten gibt und dass der Sport dynamischer ist. Anderseits müsste man, wenn man die Anzüge abschafft, die Rekorde, die mit den Anzügen gefallen sind, streichen.
Neben der Anzug-Diskussion gibt es auch im Schwimmen, wie in jedem Sport, eine Dopingdiskussion. Wie stark ist der Schwimmsport Ihrer Meinung nach verseucht?
Ich denke, im Schwimmsport sind wir da schon recht weit. Auch mit der Aufarbeitung von Altlasten. Das ist anders als das, was im Radsport getan wird. Die tun dem weltweiten Sport keinen Gefallen.
Bei dieser WM hat es nun schon fast 20 neue Weltrekorde gegeben. Ist da nur der Anzug schuld?
Die Anzüge bringen auf 100 Meter Brust angeblich 2 Sekunden, so eine Leistungssteigerung ist mit Doping nicht möglich. Das heißt: Doping und Anzug kann man nicht vergleichen. Eine Laufsocke oder neue Spikes bei Leichtathleten sind ja auch kein Doping. Das muss man unterscheiden. Doping gefährdet Menschen und macht sie kaputt. Deswegen ist es verboten, nicht nur weil es schneller macht, sondern weil man die Sportler vor immensen gesundheitlichen Risiken schützen muss.
Und Paul Biedermann, der über 400 Meter Kraul um über 6 Sekunden schneller geschwommen ist?
Was man so ein bisschen vergisst bei der ganzen Anzug-Diskussion: Wenn Paul Biedermann den Phelps schlägt oder andere Leute, die die Anzüge ja auch anhaben, ist die Leistung des Schwimmers ausschlaggebend. Und gerade beim Paul hat sich das Talent durchgesetzt.
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