Ex-Mitarbeiter verklagen Analysefirma: Media Tenor in Insolvenz
Verfahren über umstrittene Bonner Medienanalysefirma eröffnet. Prompt sitzt diese offiziell in der Schweiz.
Woran erkennt man, dass der Ski-Urlaub der Verlagswelt zu Ende ist und das Medienjahr begonnen hat? An Meldungen wie dieser: "Das Handelsblatt () ist im vergangenen Jahr häufiger in anderen wichtigen Medien zitiert worden als alle anderen deutschen Abonnements-Tageszeitungen. Zu diesem Ergebnis kommt das Zitate-Ranking des Bonner Medienforschungsinstitutes Media-Tenor", teilte das Blatt stolz mit. Früher las man solche Meldungen allerdings häufiger.
Was daran liegt, dass mittlerweile der in Fachkreisen seit Jahren bestehende Zweifel über die Stichhaltigkeit und Aussagekraft von Media Tenor sich herumgesprochen hat - und sich andere Titel nicht mehr mit der umstrittenen Auszeichnung durch das Medienanalyse-Institut (Slogan: Carpe Media!) schmücken.
Media Tenor war zuletzt 2006 wegen einer Studie für Bild am Sonntag in die Schlagzeilen geraten, die den öffentlich-rechtlichen Sendern damals tendenziöse Berichterstattung im Libanonkrieg vorwarf. Tenor: "Israel in der Täterrolle", so die BamS, die sich schon am vergangenen Sonntag ihres ersten Platzes beim Zitateranking, Disziplin Sonntagszeitungen, rühmte.
Media Tenor, eben erst vom noblen Bonn-Bad Godesberg ins benachbarte Remagen-Rolandseck rheinaufwärts verzogen, drücken dagegen andere Sorgen: Am 2. Januar wurde unter dem Aktenzeichen 6 IN 125/07 das Insolvenzverfahren über die Firma eröffnet, in Bonn klagen ehemalige Mitarbeiter gegen die Medieninhaltsanalysten, die laut Media-Tenor-Website jetzt gar nicht mehr in Deutschland, sondern offiziell im schweizerischen Lugano ansässig sind. Media-Tenor-Geschäftsführer Roland Schatz, der bis Redaktionsschluss der Printausgabe nicht zu erreichen war, hat mittlerweile auch eine Schweizer Handy-Nummer.
Und selbst die Liebe im Hause Springer zum früheren Medienpartner scheint abgekühlt: Vorstandschef Mathias Döpfner, lange Jahre prominentester Vertreter im Media-Tenor-Beirat, steht dort nicht mehr auf der aktuellen Liste.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“