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Ex-Militärrichter über die Miliz im Kongo„Wir greifen auch die Bevölkerung an“

Wie ahndet eine Bürgerkriegsmiliz im Kongo Verbrechen? Wann hält sie Zivilisten für legitime Ziele? Der ehemalige oberste Militärrichter der ruandischen FDLR gibt Auskunft.

Zwischen den Fronten: auf der Flucht im Kongo. Bild: dpa
Interview von Simone Schlindwein

taz: Herr Mbarushimana, Sie waren bis zu Ihrer Flucht nach Ruanda Vorsitzender des Militärgerichts der FDLR-Miliz im Kongo. Wie funktioniert die FDLR-Militärgerichtsbarkeit?

Etienne Mbarushimana: Wie andere Gerichte auch. Es gibt einen Anlass, ein mutmaßliches Verbrechen zu untersuchen; wir starten mit Ermittlungen; die Ergebnisse werden in einer Anklageschrift zusammengefasst. Dieses Dokument geht an den „Conseil General“ mit mir als Vorsitzendem, der dann entscheidet, ob das Verfahren eröffnet wird. In meiner Instanz haben wir nur Verfahren gegen hohe Offiziere geführt.

Wie wird in der FDLR definiert, was als Verbrechen gilt?

Wir haben ein Strafgesetzbuch – das heißt bei uns Disziplinarcode, weil es nur für Militärs ist. Darin sind alle möglichen Vergehen, die bei einem Krieg geschehen können, aufgelistet: Verrat, Vergewaltigung, Mord, Plünderung. Auf Plünderung gibt es eine Geldstrafe. Auf Verrat oder Befehlsverweigerung gibt es die Todesstrafe.

Die FDLR wird im Ostkongo vieler Kriegsverbrechen bezichtigt. Wie stehen Sie dazu?

Nun, diese Verbrechen begeht die FDLR während kriegerischer Auseinandersetzungen. Verbrechen während der Kämpfe zwischen FDLR und Kongos Armee FARDC oder anderen Milizen sind Teil der Operationen. Manchmal wurden sie auch nicht von uns begangen, sondern von unseren Gegnern und uns dann angelastet. Ich und meine Instanz haben immer nur Verbrechen gegen Individuen behandelt, die Taten begangen haben, die nicht angeordnet waren.

Wenn also im Zuge einer Militäroperation Dörfer geplündert und zerstört werden, dann ist das im Rahmen? Gibt es dann Befehle zur Plünderung?

Das ist nicht unbedingt ein Befehl. Wenn aber die FDLR eine FARDC-Basis in einem Dorf angreift, dann zerstören wir diese Basis als Teil der Operation. Wir nehmen dann alles mit.

Etienne Mbarushimana

war bis zu seiner Flucht oberster Leiter des Militärgerichts der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas).Die FDLR kämpft die im Ostkongo und hat dort quasi-staatliche Institutionen gebildet. Er diente ab 1996 bei den ruandischen Hutu-Kämpfern im Kongo. Die taz traf ihn in Ruanda, wo er heute lebt.

***

Die ruandische Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) wird zahlreicher Verbrechen im Kongo bezichtigt. Seit 4. Mai 2011 stehen deswegen FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka und sein 1. Vizepräsident Straton Musoni, die in Deutschland leben, in Stuttgart vor dem Oberlandesgericht. Seit dieser Woche sagen UN-Experten, die die Finanz- und Waffengeschäfte der FDLR untersucht haben, als Zeugen aus. Das taz-Prozesstagebuch.

Und werden Verbrechen gegen die Bevölkerung geahndet?

Im Kongo ist es typisch, dass Soldaten in den Dörfern bei der Bevölkerung wohnen, nicht in gesonderten Militärlagern. Sie leben in Häusern mit Frauen und Kindern. Dasselbe gilt für andere bewaffnete Gruppen. Sie haben keine Rationen oder Unterkünfte, sie werden nicht versorgt, deswegen leben sie bei den Leuten. Wenn wir also Angriffe planen, dann greifen wir auch die Bevölkerung an. Oft werden die Menschen dann Opfer im Krieg.

In einer solchen Konstellation werden die Frauen und Kinder in den Dörfern, wo Truppen stationiert sind, also nicht als Zivilisten betrachtet?

Nein, wir betrachten sie als Teil des Militärs. Wenn die Soldaten in Häusern mit Frauen und Kindern leben, darin ihre Stützpunkte errichten und so weiter – natürlich müssen wir bei einem Angriff gegen die Soldaten das ganze Dorf angreifen, also auch diejenigen, die die Soldaten aufgenommen haben.

Was ist bei Angriffen auf Dörfer, in welchen sich keine Soldaten befinden?

Wenn wir auf Dörfer treffen, in welchen keine Soldaten leben, dann ist es meistens der Fall, dass die Soldaten doch dort wohnen, sich aber gerade woanders befinden. Wenn sie uns dann angreifen, dann zielen wir als Rache auf das Dorf, in welchem sie sich niedergelassen haben.

Haben Sie im FDLR-Disziplinarcode eine Definition, wer Zivilist ist und wer nicht?

Wir haben Verfahren geführt wegen Verbrechen gegen die Bevölkerung und wegen Verbrechen gegen Militärs. Ja, wir haben das berücksichtigt.

Und wer wird als Zivilist betrachtet?

Nun, dieser Zivilist muss erst einmal zu uns kommen und Klage erheben, dass ein Vergehen an ihm begangen worden ist. Wir untersuchen das und richten dann über denjenigen unserer Kämpfer, der dieses begangen hat – und umgekehrt, wenn ein Zivilist einem von den unsrigen etwas angetan hat.

Auch bei Vergewaltigungen?

Natürlich, wenn einer unserer Kämpfer eine Frau oder ein Mädchen vergewaltigt, dann verurteilen wir ihn auch. Darauf steht Züchtigung. Auf Mord steht die Todesstrafe. Wir haben keine Gefängnisse im Dschungel, deswegen müssen wir die Strafen direkt durchführen, meistens Züchtigungen durch Schläge.

Welchen Grad des Verbrechens begeht ein FDLR-Kämpfer, wenn er die FDLR verlässt?

Ganz klar: Darauf steht die Todesstrafe. (macht eine Bewegung mit der flachen Hand gegen die Kehle) Wenn einer unserer Soldaten das Kommando verlässt, ist das ein Schwerverbrechen, vor allem für hohe Offiziere. Ich habe auch mein Leben riskiert, als ich aus der FDLR desertiert bin. Hätte man mich erwischt, dann hätten sie mich umgebracht.

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5 Kommentare

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  • R
    rita

    magy,

     

    deine Darstellung finde ich sehr interessant. Das Militär benutzt also deine Toilette in Kinshasa. Ich nehme an, hier sind Soldaten der Regierungstruppen gemeint. In dem Bericht geht es aber um die FDLR, eine Rebellenarmee. Wie anhand deiner Erzählung zu sehen ist, scheint es da aber keinen großen Unterschied zu geben. Woran ich noch nicht mal den Soldaten die Schuld geben will. Es ist doch eher ein Hohn, dass die Soldaten der Regierungsarmee sich genauso "durchwursteln" müssen (auf Kosten der Bevölkerung) wie die Rebellen.

     

    Solche Tatsachen sollten viel öfter thematisiert werden, damit die wahren Schuldigen endlich erkannt werden.

  • M
    magy

    In dem Bericht sieht man, wie man Völkermord, Massaker und Vergewaltigungen legalisiert, das es ziemlich nutzlos ist gegen diese Banden was zu unternehmen.

    Ich sehe ich keinen Beweis, das die "einfache Bevölkerung" zum Tätervolk gehört. Ich denke eher, das es Taktik des Militärs ist sich beim einfachen Volk einzunisten das Volk als Schutzschild benutzt wird und um sich kostenlos durchzufüttern, die andere Seite rächt sich dann an der Bevölkerung, welche aus Angst vor den Milizen diese beherbergt hat. Jeder nimmt die Einnistung der Milizen hin, weil man am Leben bleiben will, weil die Frauen in Ruhe gelassen sein wollen, weil sie lieber selbst nichts mehr zu essen haben als zerhackt zu werden.

    Exmilitärrichter sagt zu der Frage ob die Vergewaltiger der Frauen angeklagt und bestraft würden, JA, das würde gemacht. Ist doch wohl zynisch gemeint, da in anderen Berichten die Milizen selbst aussagen massenhaft Frauen zu vergewaltigen als Taktik eingesetzt wird, um das Land zu brechen. Kongo wäre ohne die Frauen längst untergegangen, genau darum tut man ihnen das an.

    Bei meinen Besuchen in Kinshasa habe ich immer wieder erlebt, das das Militär (in der selben Straße stationiert wo ich wohnte) niemals fragt ob Sie Deine Toilette oder Dusche benutzen dürfen (die immer außerhalb der Wohnung war)die ich komplett saniert habe um sie bewohnbar zu machen. Als ich dagegen protestieren wollte, wurde ich sofort weggebracht aus Angst um mich, das Militär könnte mir jetzt was antun. Das Militär darf machen was es will, geht immer straffrei aus. Willkür und Gewalt war da schon ein großes Thema. Ich konnte nie ohne Begleitung unterwegs sein, immer Militär in Zivil und afrik. Freunde bei mir.

    Wenn man nicht selbst dort war, kann man sich schwer in die Situation der Menschen hinein denken und fühlen.Aber war man dort, lässt es dich nicht mehr los, ist es schwer all das was dort läuft zu verstehen, geschweige denn akzeptieren, weil das Land an sich so wunderschön ist.

  • I
    isomatte

    Wieder einmal muss ich mich aufs schärfste erwehren gegen einen Kommentar, der unter meinem Pseudonym geschrieben wird, und völlig hirnlos menschenverachtend ist.

     

    Was ist das für ein Mensch, der solche Kommentare schreibt?

    Aus welchem Beweggrund suchst du dir dieses Thema für die Verbreitung deines menschenverachtenden Sarkasmus?

  • S
    Silke

    Frauen und Kinder?! Das ist ja wohl ein Witz!

  • I
    isomatte

    Finde ich in Ordnung. Auch die einfache Bevölkerung gehört zum Tätervolk und darf wie damals beim Dritten Reich nicht geschont werden!