Ex-Kanzlerin Angela Merkel in Hamburg: Kurzes Nachdenken bei der Frage „Habeck oder Merz?“
Altkanzlerin Angela Merkel fliegen bei einem Auftritt in Hamburg die Herzen zu. Noch glücklicher wären die Menschen, wenn sie ihrer Partei nicht so treu wäre.

Es ist Mittwochnachmittag, und Angela Merkel tritt heute zum ersten Mal öffentlich auf, seit sie Friedrich Merz dafür kritisiert hat, dass die Union über ihren Gesetzentwurf zur Migrationspolitik gemeinsam mit der AfD gestimmt hat. Noch hat Merkel dazu nichts gesagt. Sie ist damit beschäftigt, ihren Namen in ihr Buch zu schreiben. Es ist Signierstunde in der Buchhandlung Felix Jud in der Hamburger Innenstadt. Dafür stehen Menschen bis zur nächsten Straßenecke an.
Am Abend betritt Merkel die Bühne des Schauspielhaus Hamburg. Sie wirkt. Das Publikum johlt, lacht und klatscht. Sie ist auf Einladung der Zeit gekommen. Es geht natürlich auch um Merz – und Merkel steht zu ihrer Kritik. Zufallsmehrheiten mit der AfD dürfe es nicht geben, sagt sie. „Das ist eine Partei, die die Grundlage unseres Zusammenlebens abschaffen will“, sagt Merkel und kriegt ausführlichen Applaus.
Bei der Entscheidungsfrage „Robert Habeck oder Friedrich Merz?“ lacht das Publikum, aber Merkel bleibt ernst und denkt kurz nach. Dann macht sie eine Handbewegung und sieht kurz ein bisschen ärgerlich aus: „Merz!“ Der CDU traue sie in Wirtschaftsfragen mehr zu. Das Publikum schweigt – zum ersten Mal.
Es wirkt enttäuscht. Irgendwie hat Merkel eine Superkraft. Sie ist witzig und charmant und – zack – Menschen wollen vergessen, in welcher Partei sie ist. Dabei sagt sie es selber mehrmals an diesem Abend: „Ich bin CDU-Mitglied“ („auch wenn die Partei mir manchmal Schmerzen bereitet“). Und sie sagt CDU-Sachen. Sie zählt auf, was sie in ihrer Kanzlerinnenschaft gegen „irreguläre Migration“ unternommen hat. Sie verteidigt das Migrationsabkommen der EU mit der Türkei. Sie will für die 20 Prozent der AfD nicht verantwortlich sein.
Ganz am Ende fragt noch jemand: „Warum sind Sie so wenig selbstkritisch?“, und eine einsame Person klatscht im Parkett. Vielleicht wäre das auch eine Frage ans Publikum?
Mitarbeit: Sabrina Bhatti
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?