Ex-CIA-Agent Mowatt-Larssen: "Terroristen kommen an Atombomben"
Die Deutschen irren sich, wenn sie meinen, al-Qaida käme nicht an Atombomben, glaubt Ex-CIA-Agent Rolf Mowatt-Larssen. Das größte Risiko befände sich in den USA und in Russland.
taz: Herr Mowatt-Larssen, wo sehen Sie Gefahren für die nukleare Sicherheit?
Rolf Mowatt-Larssen: In jedem Land, das das Material hat. Natürlich in den neun Ländern mit Atomwaffen.
Wo ist das Risiko am größten?
Das größte Risiko befindet sich dort, wo 95 Prozent dieses Materials sind: in den USA und Russland. Aber auch Pakistan und Indien sowie Israel sind sehr riskant. Darüber hinaus gibt es Länder wie Frankreich und Belgien, Deutschland und Japan, die Material aus der Energiegewinnung haben, das für Terroristen nützlich sein könnte. Und Länder können auch als Schwarzmarkt eine Rolle spielen.
Minister Schäuble sagt al-Qaida kann keine Atombombe bauen. Was antworten Sie?
Herr Schäuble irrt. Eine terroristische Gruppe kann das Material nicht selbst herstellen. Aber sie kann es stehlen oder kaufen: Bei Forschungsreaktoren, bei Atomkraftwerken oder bei Nuklearwaffeneinrichtungen.
Rolf Mowatt-Larssen, 55, hat 23 Jahre für den CIA gearbeitet. Er war für Gegenspionage beim Energie-Ministerium zuständig. Seit 2009 ist er an der Harvard-University.
Dennoch sehen vor allem die USA ein Problem.
Wir befinden uns in einer vernetzten Welt. Und dieser Gipfel ist eine Gelegenheit, jenseits von Aufbauscherei und Angst darüber zu sprechen. Wenn irgendwo eine Atombombe explodiert, werden die Leute in der betroffenen Gegend sterben. Aber es hätte überall Auswirkungen.
Was erwarten Sie von der deutschen Regierung?
Dass sie sich nicht länger darauf beschränkt, von der Gefahr einer schmutzigen Bombe zu reden. Es gibt auch eine nukleare Drohung. Deutschland kann eine größere Rolle in globalen Sicherheitsfragen spielen. Bei der Verhinderung von nuklearem Terrorismus und Cyberattacken zum Beispiel. Im Augenblick reden wir über den militanten Islam. Aber das kann sich ändern.
Gibt es bestimmte Weltgegenden, in denen Deutschland Initiativen ergreifen sollte?
Die wichtigsten Länder sind der Iran, wo Deutschland eine wichtige Rolle spielt, und Nordkorea. Diese beiden Länder können die Situation weiter destabilisieren. Und natürlich der Mittlere Osten - Afghanistan, Irak und Pakistan. Diese Region - insbesondere Pakistan - ist beunruhigend wegen der Gefahr, dass Material in die Hände von Terroristen fällt.
War es sinnvoll, den Iran und Nordkorea nicht einzuladen?
Iran und Nordkorea fordern die Welt heraus. Sie entwickeln Atomwaffen und sind repressive Regime.
Ist die Absage von Netanjahu ein Problem für den Gipfel?
Es ist sehr schade. Aber der Gipfel sollte nicht für Bühnenreden gegen bestimmte Länder benutzt werden. Sein Ziel ist es, Terroristen daran zu hindern, Nuklearwaffen zu bekommen. Nicht: einzelne Länder herauszuheben.
Warum ist es schwierig zu sagen, dass Israel Atombomben hat?
Anders als die übrigen acht Atomwaffenstaaten sagt Israel es nicht öffentlich. Die Nachbarn sollen sich nicht bedroht fühlen. Aber es ist ein schlecht gehütetes Geheimnis. Und natürlich entwickelt der Iran Nuklearwaffen, weil Israel welche hat.
Sie wollen mit der Konferenz "Bewusstsein" für die Risiken erzeugen. Wäre das allein ausreichend, um von einem "Erfolg" zu sprechen?
Nach 36-jähriger Tätigkeit für verschiedene Regierungen messe ich Erfolg nicht mehr in Deklarationen. In dieser Frage können wir nicht aus Fehlern lernen. Wenn Terroristen dem globalen System den Krieg erklären und eine Stadt angreifen - Bombay oder Washington oder auch eine deutsche Stadt - ist das jedermanns Angelegenheit. Wenn die Verantwortlichen diese Gefahr als real empfinden und größere Mittel bereitstellen - dann war der Gipfel ein Erfolg.
Ein Ziel ist, dass nukleares Material weggeschlossen wird.
Eines der praktischen Ziele ist es, dass alle Länder ihre nuklearen Materialien absichern. Ich halte vier Jahre für zu ehrgeizig. Die IAEO ist sehr wichtig. Wir müssen das Thema internationalisieren. Eines der Merkmale der Obama-Administration ist ihr Multilateralismus. Die USA wollen nicht diktieren. Sondern einen Anstoß geben.
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