Ewiges Herzflammen

Pop kann so einfach sein: Bei ihrem Konzert in Berlin zelebrierten die Bangles ihr Comeback, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt

von CHRISTIANE RÖSINGER

Das hippere Konzert fand am Dienstagabend natürlich nebenan statt. Vor der großen Columbiahalle begehrten die Massen Einlass zum Calexico-Konzert. Vor dem kleineren Columbiafritz dagegen hielt sich die Massenhysterie in Grenzen. Auf das Comeback der Bangles hatte niemand gewartet. Auch der Titel ihres neuen Albums „Doll Revolution“ klang nach Schnee von gestern, nach zerrissenen Kinderkleidchen, Babes in Toyland, Courtney Loves Dollparts.

Die Platte ist rockorientiert, hat aber wie die früheren Bangles-Alben auch genug romantische Balladen und vergnügte Popsongs. Ihr Comeback ist erstaunlich. Bekanntlich können Frauen im Rock-Popgeschäft ja nur wenige Augenblicke lang mit voller Berechtigung tätig sein, generell fallen sie unter ein sehr begrenztes Haltbarkeitsdatum. Sind sie zu jung, bemängelt man Lolita-Teenietum, Unreife, Babyspeck. Kaum erwachsen, sind sie zu alt. Eine Tätigkeit im Bandverbund sollte mit spätestens 25 abgeschlossen sein, danach sind Frauen nur noch als Solokünstlerin vermarktbar. Treten sie über dreißig noch im Kollektiv auf, werden sie schnell zu „Golden Girls“, zu „gestandenen Frauen“ oder zu den sexistisch-süffisanten „Damen“.

Das Jugendgebot gilt zwar für Boybands genauso, aber hier ist das Genre klar abgegrenzt: Eine Boyband besteht aus mehreren Jungs, die süß aussehen, gut singen und tanzen können. Beim anderen Geschlecht wird indes jede musikalische Formation unweigerlich dem Genre Girlgroup oder Frauenband zugerechnet. Das entspräche einer Kategorie Boyband/Männerband, in der von N’sync, Blue, Blumfeld, Metallica, Libertines bis zu Coldplay alles vereint wäre.

Nun wurden die Bangles immer als Girlgroup vermarktet. Klar, dass sie jetzt als „dienstälteste Girlgroup“ ihr Comeback erleben. Dass sie dies in einem Pressekommentaren zufolge biblischem Alter von über 40 Jahren tun, ist sensationell.

So herrscht im kleineren Columbiafritz eine unaufgeregt erwartungsvolle Stimmung. Jubelnd werden sie begrüßt, begonnen wird mit der neuen Single, ein gefälliges Konglomerat aller bisherigen Bangleshits. „Manic Monday“ wird kurzfristig zu „Waiting for my man“, „Walk like an Egyptian“ zu „Mrs. Robinson“. Das Publikum nimmt die kleinen Abwandlungen geradezu hysterisch dankbar auf.

Susanna Hoffs, ein zierliches Persönchen im romantischen Blüschen-Outfit, lächelt schüchtern ins Publikum. In ihre Richtung recken sich die meisten einsamen Männerhälse. Wenn sie singt, geht ein Raunen durch die Menge. Gitarristin Vicky Peterson verkörpert den lockeren California-Typ: braun gebrannt, sonnengebleichtes Lockenhaar – als käme sie grade barfuß vom Strand gelaufen, um jetzt aus purer Lebensfreude heraus ein bisschen Gitarre zu spielen und zu singen. Ab und an lässt ihre Schwester Debbie das Schlagzeug links liegen und greift zur Akustikgitarre. Der Chorgesang der vier ist immer noch sehr schön. Der Keyboarder hält sich im unbeleuchteten Hintergrund. Bassistin Michaela Steele, eher Typ Vampirlady, sagt mit trockenem Humor die Stücke aus grauer Vorzeit an und fragt, warum es in Berlin immer schneit, sogar im August.

Kein Konzert in der letzten Zeit war kurzweiliger: Die Bangles sind da, spielen ihre Songs, viele singen mit, und alle finden’s toll. Absolut entspannt, wie Autofahren im Sommer und Radiohören bei offenem Fenster. Popmusik kann so einfach sein.