Eusébio über Starkult im Fußball: "Ronaldo ist ein guter Junge"
Spieler sind Hauptdarsteller einer Show und Helden wurden nie so schnell geboren wie heute, meint Eusébio. Ob das gut oder schlecht ist, hängt von jedem Spieler selber ab.
taz: Eusébio, heute trifft Deutschland im Viertelfinale auf Portugal. Es heißt, Ihre Landsleute seien Favorit. Ist das auch Ihre Meinung?
Eusébio: Die Deutschen sind bei einem Turnier niemals Außenseiter, egal, ob sie Probleme in der Vorrunde hatten. Das hat uns die Geschichte gelehrt. Nicht nur einmal.
Wollen Sie Ihrer Mannschaft den Druck nehmen?
Das muss ich nicht. Portugal spielt sehr gut, nun sind die Erwartungen gewachsen. Aber glauben Sie mir: Portugal ist nicht der Topfavorit, andere Mannschaften spielen auch einen schnellen, ansehnlichen Fußball. Holland zum Beispiel, oder Spanien. Und noch einmal: Bitte vergessen Sie die deutsche Mannschaft nicht. Die ist immer da, wenn sie gefordert ist. Eine Turniermannschaft. Vielleicht können Sie das nicht mehr hören, aber so ist es.
Vergleichen Sie bitte den Fußballer Eusébio mit dem Fußballer Ronaldo.
Zwei Spieler aus zwei Epochen der Fußballgeschichte sollten nicht miteinander verglichen werden. Das würde Ihnen Franz Beckenbauer auch sagen, oder nicht? Es ist richtig, dass Ronaldo und ich wichtige Rollen besetzen beziehungsweise besetzt haben, aber vor dem Hintergrund der Entwicklung des Spiels kann niemand beurteilen, ob unser Stil, unsere Laufwege oder unsere Technik Ähnlichkeiten haben.
Kann Hysterie um einen Spieler auch schädlich sein?
Nie sind Helden so schnell geboren worden wie heute. Aber ob das gut oder schlecht ist, hängt von jedem Spieler selbst ab, auch von Ronaldo. Ich kenne ihn sehr gut, ich weiß, wie er sich im Mannschaftsbus verhält oder in der Kabine, wo ihn Fans und Journalisten nicht sehen können. Er ist ein guter Junge, ehrlich, höflich, nicht arrogant oder abgehoben, wie ihn viele Medien darstellen. Er schert sich nicht um die Hysterie, den Druck, er will nur eines: Fußball spielen und erfolgreich sein.
Wird der Fußball zu sehr mit Bedeutung überfrachtet?
So ist das nun mal, das können wir nicht ändern, Sie nicht und ich auch nicht. Die Kommerzialisierung ist fortgeschritten, der Sport ist weltweit vernetzt. Die Spieler sind die Hauptdarsteller einer Show, wegen ihrer Leistungen werden hohe Werbe- und Fernsehverträge abgeschlossen. Sie verdienen viel Geld, viel mehr als wir damals. Wenn Ihre nächste Frage sein sollte, ob ich frustriert bin wegen meiner frühen Geburt? Nein, das bin ich nicht. Ich habe meine Zeit sehr genossen. Das war meine Art des Fußballs, sie hat zu mir gepasst - und ich zu ihr. Das sehen Bobby Charlton oder Uwe Seeler bestimmt genauso.
Ronaldo hat Portugal mit 18 verlassen, Sie hielten Benfica Lissabon lange die Treue.
Ich hatte früh ein Angebot von Juventus Turin, aber ein Wechsel wurde mir verboten, ich sollte mein Land weiter in Portugal repräsentieren. Heute gibt es keine Grenzen mehr.
Wie wichtig sind frühe Wechsel ins Ausland für portugiesische Talente?
Sehr wichtig. Nur in England konnte Ronaldo werden, wie er ist, weil er mit seinen Anforderungen gewachsen ist, und die waren von Beginn an hoch.
INTERVIEW: RONNY BLASCHKE
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