Eurozone streitet um die Fiskalunion: Ein Pakt, den keiner mag
Nächste Woche wird im EU-Parlament über den Vertrag zur geplanten Fiskalunion gestritten. Schon jetzt reden Politiker von einer Kriegserklärung.
BRÜSSEL taz | Italien konnte am Freitag zum zweiten Mal in diesem Jahr erfolgreich neue Staatsanleihen im Wert von 4,75 Milliarden Euro platzieren. Bei der Versteigerung sank der Zinssatz für Anleihen mit einer Laufzeit von drei Jahren auf 4,83 Prozent. Im vergangenen Monat waren es noch 5,62 Prozent, im November gar 7,89 Prozent.
Zuvor hatte auch Spanien günstige Kredite erhalten. Damit scheinen die Investoren wieder Vertrauen in die beiden größten Krisenländer der Eurozone gefasst zu haben. Diese können etwas optimistischer ins neue Jahr blicken.
Der Streit über die richtige Antwort auf die Krise geht aber dennoch weiter. Der letzte Entwurf für die geplante neue Fiskalunion für die Eurozone stößt auf allen Seiten auf Widerstand. Diese Union war beim letzten EU-Gipfel im Dezember von Deutschland und Frankreich auf den Weg gebracht worden - gegen erbitterten Widerstand vor allem aus Großbritannien. Geht es nach den Deutschen und Franzosen, sieht die Fiskalunion strikte Haushaltsregeln und automatische Sanktionen für "Schuldensünder" vor.
Frankreich und Österreich stehen nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa vor einer Herabstufung ihrer Kreditwürdigkeit. Entsprechende Gerüchte über eine Abstrafung durch die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) wurden am Freitag in Finanzkreisen bestätigt. Damit würden beide Euroländer ihre Topnote "AAA" verlieren. Welche weiteren Euroländer möglicherweise betroffen sind, wurde nicht bekannt. Deutschland soll allerdings nicht gefährdet sein.
Eine Herabstufung Frankreichs und Österreichs würde den Druck auf Europa in der Schuldenkrise noch erhöhen. Denn neben Deutschland blieben nur noch die kleineren Staaten Niederlande, Finnland und Luxemburg mit einem sogenannten Triple-A übrig. Je schlechter aber die Kreditwürdigkeit, desto schwerer und teurer wird es für Europas Staaten, sich Geld am Kapitalmarkt zu leihen. (dpa)
Parlament auf den Barrikaden
Doch mit dem nun vorliegenden Entwurf ist niemand so recht zufrieden. Als Erstes ging das Europaparlament auf die Barrikaden: Der Entwurf sei nicht mit dem EU-Recht vereinbar und missachte die demokratischen Spielregeln, kritisieren die vier Verhandlungsführer des Parlaments einschließlich des deutschen CDU-Abgeordneten Elmar Brok.
Die Sozialdemokraten gehen noch weiter und sprechen von einer "Kriegserklärung an den Parlamentarismus". Denn die nationalen Parlamente sollen nur "eingeladen" werden, bei der Umsetzung des Fiskalpakts mitzuwirken - das Wort führen die Regierungen.
Bei der nächsten Plenarsitzung des Parlaments in der kommenden Woche in Straßburg dürfte es daher hoch hergehen. Der designierte neue Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD), der kommende Woche im Europäischen Parlament gewählt werden möchte, hat bereits Widerstand angekündigt. Im Extremfall könnten die Abgeordneten gegen die Fiskalunion klagen. Erst einmal wollen sie aber die Stellungnahme der EU-Kommission abwarten, die in dem Entwurf ebenfalls schlecht wegkommt.
Substanzielle Verwässerung
Selbst die Erfinder der Fiskalunion in der Bundesregierung sind mit dem Vertragstext nicht zufrieden. Sie stören sich vor allem daran, dass im Falle einer schweren Rezession Ausnahmen von dem strikten Sparkurs erlaubt werden sollen. "Die Bundesregierung wird weiter entschieden dafür eintreten, dass ehrgeizige Vorgaben für national umzusetzende Schuldenbremsen in diesem Fiskalpakt verankert werden", sagte Regierungssprecher und Vertrauter der Kanzlerin, Steffen Seibert, am Freitag in Berlin.
Kritik kam aber auch aus der Europäischen Zentralbank. EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen kritisierte, dass die jüngste Version eine "substanzielle Verwässerung gegenüber früheren Entwürfen" sei. Zugleich forderte Asmussen volle Kontrolle durch den Europäischen Rechnungshof (EuGH) bei der nationalen Umsetzung der Vereinbarungen.
Der Fiskalpakt soll beim nächsten EU-Sondergipfel Ende Januar in Brüssel verabschiedet werden und dann 2013 in Kraft treten. Angesichts der allgemeinen Unzufriedenheit könnte der Zeitplan nun aber wieder wackeln.
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