■ Europarat in Straßburg stimmt der Bioethik-Konvention zu: Ein menschenfreundlicher Kompromiß
Über das Ziel sind alle einig. Wer will nicht verhindern, daß Kinder, Altersverwirrte und geistig Behinderte als Versuchskaninchen für medizinische Forschungen benutzt werden? In der Bewertung der geplanten Bioethik-Konvention des Europarats gehen die Positionen dennoch weit auseinander. Ist sie wirklich das Einfallstor für Menschenversuche oder eher der überfällige Schutzriegel eben hiergegen?
Für die Gegner der Konvention ist die Antwort einfach. Nur das völlige Verbot der Forschung mit „Nichteinwilligungsfähigen“ verhindert den Mißbrauch. In Deutschland ist derzeit die Forschung mit Altersverwirrten und geistig Behinderten ausnahmslos verboten – eine Konsequenz aus den NS-Menschenversuchen. Versuche mit Kindern sind allerdings unter bestimmten Bedingungen erlaubt, schließlich gibt es Krankheiten, die nur bei Kindern auftreten. Auf der Suche nach neuen Medikamenten, Therapien und Impfmitteln gegen solche Krankheiten hilft der Test mit Erwachsenen nicht.
Dieselbe Überlegung wird in der Bioethik-Konvention für die Forschung mit Altersverwirrten und geistig Behinderten angestellt. Wie will man etwa die Alzheimersche Krankheit wirksam bekämpfen, wenn die Betroffenen selbst für die Entnahme einer Blutprobe oder eine Ultraschalluntersuchung nicht medizinisch untersucht werden dürfen? Eine solche Position läßt sich auf Dauer nicht durchhalten. Wenn nicht in der Bundesrepublik, werden die Versuche eben andernorts durchgeführt. Ist das besonders ethisch?
Um keine Mißverständnisse zu provozieren: Die Bioethik-Konvention zwingt die Bundesrepublik nicht zur Aufweichung ihres rigiden Schutzes. Sie läßt ihn zu – mit durchaus seriösen Gründen.
Wichtig jedoch ist: Den Schutz der Versuchspersonen hat die hiesige Gesetzgebung weiterhin fest im Blick. Die in der Konvention vorgesehenen Sicherheitsanforderungen (minimales Risiko und minimale Belastung, Gruppennützigkeit, fehlende Alternative zum Versuch, Zustimmung der Probanden und der gesetzlichen Vertreter und einer Ethikkommission) können jedenfalls Vertrauen auch bei jenen wecken, die dem Projekt kritisch gegenüberstehen.
Sollte ich je altersdement werden, hätte ich unter diesen Bedingungen nichts dagegen, eine Blutprobe abnehmen zu lassen. Christian Rath
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