Europäischer Gift-Abfall in Brasilien: Die Müllmafia
Der Müllexport ist ein äußerst lukratives Geschäft für die Mafia. Zielort für den giftigen Abfall ist immer häufiger Brasilien - verschifft von Hamburg aus.
PORTO ALEGRE taz | Die 22 Tonnen Hausmüll, die Anfang August im südbrasilianischen Hafen Rio Grande entdeckt wurden, befinden sich bereits auf dem Rückweg nach Hamburg. Die südkoreanische Reederei Hanjin Shipping veranlasste mittlerweile die Fracht kurz vor dem Ablauf der gesetzten Frist in dieser Woche.
Die als Polyethylen-Kunststoffe für Recyclingzwecke deklarierte Ladung war im Juli vom Hamburger Hafen aus nach Brasilien geschickt worden. "Seit letztem Jahr wird jede Landung mit einer solchen Beschreibung geöffnet", sagte Zollinspektor Marco Antônio Medeiros. Tatsächlich enthielt der Container jedoch Hausmüll mit Tierfutter, Windeln, Rückständen von Putzmitteln und anderen Chemikalien aus Tschechien. Größte Attraktion war ein lebendiger Regenwurm, der an einer regionalen Universität untersucht wurde.
Fernando Marques von der brasilianischen Umweltbehörde Ibama vermutet, die Route habe für weitere Ladungen getestet werden sollen. Gegen Hanjin Shipping verhängte Ibama ein Bußgeld in Höhe von umgerechnet 660.000 Euro. Das brasilianische Entsorgungsunternehmen Recoplast aus dem Großraum Porto Alegre, das sich bei seinem "ersten derartigen Import" ahnungslos gab, soll eine Geldbuße in Höhe von 180.000 Euro zahlen.
Ein Sprecher der Hamburger Umweltverwaltung hatte bereits letzte Woche angekündigt, der Container werde nach Tschechien weitergeschickt. Die dortigen Zollbehörden kontrollierten die Ladung nur, wenn es Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten gebe, hieß es. Täglich werden im Hamburger Hafen rund 22.000 Containereinheiten umgeschlagen.
2009 hatten die brasilianischen Behörden bereits 89 Container mit 1.400 Tonnen britischem Sondermüll zurückgeschickt, der in drei Häfen entdeckt worden war. Das Außenministerium verklagte Großbritannien damals wegen des Verstoßes gegen die Basler Konvention, mit der der grenzüberschreitende Mülltransport geregelt wird.
Neben dem Drogenhandel und der Prostitution ist der Giftmüllexport zu einem der rentabelsten Geschäfte der organisierten Kriminalität geworden. So soll die italienische Mafia einer Studie zufolge im Jahr 1,5 Milliarden Euro mit der Verfrachtung von Giftmüll in Länder des Südens verdienen. Allein in Italien verschwinden jährlich 26 Millionen Tonnen Abfälle, ein Viertel des gesamten Mülls. Hauptziel der europäischen Giftmüllausfuhren ist West- und Ostafrika. Das Gros der illegalen Exporte machen Komponenten alter Computer, Handys oder anderer Elektrogeräte aus, deren reguläre Entsorgung in Europa kostspielig ist.
Das Schwellenland Brasilien steht erst am Anfang einer vernünftigen Müllpolitik: Vor drei Wochen unterzeichnete Präsident Luiz Inácio Lula da Silva ein entsprechendes Gesetz. Bislang wird ein Großteil der täglich anfallenden Müllmenge von gut 183.000 Tonnen nicht adäquat gelagert oder gar weiterverarbeitet.
Nur ein Viertel der brasilianischen Kommunen verfügt über moderne Mülldeponien, gerade mal 28 Prozent klären ihre Abwässer. 35 Millionen BrasilianerInnen, gut ein Sechstel der Gesamtbevölkerung, müssen ganz ohne Abwasserentsorgung auskommen.
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