Europäischer Filmpreis verliehen: Der Blick geht stur nach Westen
Am Samstag wurde in Kopenhagen der Europäische Filmpreis vergeben. Blockbuster kamen nicht zum Zuge und Stars machten sich rar. Klarer Sieger war der Anti-Mafia-Film "Gomorrha".
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Er hat es nicht leicht, dieser Europäische Filmpreis. Am Samstag wurde er in Kopenhagen zum 21. Mal verliehen. 1.400 Gäste besuchten die Gala, am Ende triumphierte der italienische Anti-Mafia-Film "Gomorrha" von Matteo Garrone in allen fünf Hauptkategorien. Mit dabei waren in Europa aber nur die Dänen, denn nur das zweite Programm des dänischen Staatsfernsehens übertrug die Gala live. In Deutschland strahlt Arte die Preisverleihung erst heute Abend aus - ab 22.45 Uhr.
Der schlagfertige Moderator Mikael Bertelsen versprach flapsig, "Dänen so zu zeigen wie in ihren Filmen: immer schön depressiv." Kurzweilig geriet ihm die Gala, nur ändert das nichts an den wirklichen Problemen des europäischen Filmpreises. Im Hinblick auf seine Akzeptanz beim Publikum und seine Wahrnehmung in der Branche hat sich in den vergangenen 21 Jahren nicht genug getan. Von den sechs Nominierungen zum Europäischen Film des Jahres liefen allein vier im Wettbewerb von Cannes. In Kopenhagen ging allerdings der Sieger der Goldenen Palme, "Die Klasse" von Laurent Cantet, völlig leer aus, und auch der ambitionierte israelische Animationsfilm "Waltz with Bashir" von Ari Folman musste sich mit dem Trostpreis für die Beste Musik begnügen.
Was fehlt, sind die großen europäischen Stars im Publikum oder als Laudatoren. Wo sind Gérard Depardieu, Roberto Benigni, Catherine Deneuve oder Juliette Binoche? Dame Judi Dench kam nur deshalb nach Kopenhagen, weil sie für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wurde.
Problematisch ist darüber hinaus der Spagat zwischen den kommerziellen, europäischen Publikumsfilmen und dem Arthouse-Mainstream, der immer wieder ausgezeichnet wird. Etwa 1.000 Filme werden im Jahr in Europa produziert; Blockbuster wie "Keinohrhasen", "Willkommen bei den Schtis" oder der dänische Hit "Flamme und Citron" schaffen es oft nur in die Runde der letzten 44 Nominierten, aus denen dann die einzelnen Kategorien bestückt werden. Völlig ignoriert werden die Filme aus Osteuropa. Obwohl in Tschechien und Russland der einheimische Film einen höheren Marktanteil besitzt als in Deutschland, Italien oder Spanien, schaut die EFA stur nach Westen.
Letztendlich spiegelt der Filmpreis ein gesamteuropäisches Problem: Mit Englisch allein wächst dieser Kontinent nicht zusammen. Wenn die Neugier auf das Leben der anderen fehlt und auch Verleiher oder TV-Sender das Risiko und die Ausgaben scheuen, auf gut gemachtes und anders erzähltes europäisches Kino zu setzen, bleibt das Kinopublikum bei Hollywood made in Europe, nämlich dem neuen Bond. Und so war ein Experiment des Moderators Mikael Bertelsen bezeichnend. Als er in einem Kopenhagener Kino versuchte, Besucher von "Ein Quantum Trost" für den kasachischen Film "Tulpan" zu interessieren, der als beste Entdeckung nominiert war, blitzte er bei den meisten ab. Nicht nur der dänische Kinozuschauer bezahlt lieber für Bond, als sich das Ticket für einen europäischen Kunstfilm aus den Weiten Kasachstans schenken zu lassen.
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