■ Europa in Berlin: Segeln mit dem deutschen Amtsschimmel
Der Bootsführerschein für Berliner Gewässer hat den Zorn des britischen Europaabgeordneten Giles Chichester erregt. Der Konservative bezeichnete entsprechende Vorschriften kürzlich in Berlin als örtliche Behördenanmaßung. Er werde dies diese Woche zum Fall vor der Kommission in Brüssel machen. Chichester ist Mitglied der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), die in Berlin tagte. Die Fraktion, die auch die CDU umfaßt, wurde ebenfalls von Bundespräsident Roman Herzog empfangen.
Chichester, der sich als Sohn des „berühmten Weltumseglers Sir Francis Chichester“ zu erkennen gab, fand es nach eigenen Angaben empörend, daß sich in Berlin lebende Briten und Mitglieder des Deutsch-Britischen Jachtclubs an der Havel deutschen Seglerprüfungen unterziehen müssen. Chichester unterstrich: „Vor fünfzig Jahren haben britische Luftwaffensoldaten die rote Belagerung Berlins vermittels alliierter Luftbrücke gebrochen. Aber 1998 hält der Amtsschimmel Briten vom Segeln in Berlin ab – selbst wenn sie dafür die höchsten Qualifikationen des Vereinigten Königreichs vorweisen.“
Chichester versicherte den britischen Seglern in Berlin, in dieser Sache müsse es einen „Wind des Wechsels“ geben. Er zitierte damit eine historische Redewendung. Premierminister Harold Macmillan hatte damit 1960 die Unabhängigkeit britischer Afrikakolonien vorausgesagt. Roman Herzog hatte den Mitgliedern der EVP-Fraktion erklärt, in ihrer Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg erführen sie täglich, „wie mühsam, aber auch zufriedenstellend es sein kann, von nationalen auf europäische Denkmuster umzustellen“.
Umgekehrt sei es ebenfalls schwer, „mit den neuen europäischen Denkmustern auf die kollektiven nationalen Bewußtseinsformen daheim Einfluß zu nehmen“. AP
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