piwik no script img

Europa endet nicht an Oder und Neiße

■ Stolpe: Grenzraum darf nicht zweimal das Ende der Welt sein, einmal östlich und einmal westlich

Guben. Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) hat sich für eine verstärkte Zusammenarbeit der Verantwortlichen beiderseits der deutsch-polnischen Grenze ausgesprochen. Bei einem Besuch in Guben forderte er am Sonnabend ein engeres Zusamenwirken in Kommunalpolitik, Wirtschaft, Umweltschutz und Kultur. Dieser Grenzraum dürfe nicht zweimal das Ende der Welt sein: einmal östlich und einmal westlich. Europa endet nicht an Oder und Neiße, Europa ist größer, so Stolpe. Das hätten auch die ersten sieben Wochen des vereinfachten Reiseverkehrs für Polen gezeigt. Stolpe will auf dem Parteitag in Bremen nüchtern und realistisch auf die wirkliche Situation in den neuen Bundesländern aufmerksam machen. Ihm geht es dabei nicht um Wehklagen oder Auflisten der Probleme, sondern vielmehr um eine ehrliche Analyse, die erst den Aufbau möglich macht. Der derzeitige Strukturwandel schüttele und rüttele Ostdeutschland.

Der Aufenthalt in Guben habe der Verständigung darüber gedient, wie einer möglicherweise auch in diesem Territorium weiter steigenden Arbeitslosenzahl begegnet werden könne. So soll demnächst eine Qualifizierungs- und Beschäftigungsgesellschaft gebildet werden, die mit mehreren hundert ABM-Kräften Sanierungsaufgaben in der Wirtschaft übernehmen wird. Bei derartigen Vorhaben bedarf es nicht nur der Willigkeit der Kommunen und deren Unterstützung durch die Landesregierung, sondern auch der Einbeziehung der Industrie. Bei Gesprächen in der Gubener Chemiefaser GmbH und einer Agrargenossenschaft des Neiße-Kreises informierte sich Stolpe über die Vorstellungen der Unternehmensleitungen zur künftigen Entwicklung der Firmen. Allein in dem Chemiebetrieb verringerte sich die einstige Beschäftigtenzahl von über 7.000 auf gegenwärtig rund 4.000. Umfangreicher Abzug ausländischer Arbeitskräfte, Vorruhestandsregelungen und Entlassungen, von denen weitere ins Haus stehen, führten zu dieser drastischen Verringerung. Mit einer rund dreistündigen Blockade im Gubener Stadtzentrum hatten während des Stolpe-Besuchs Mitstreiter einer Bürgerinitiative auf seit Monaten ungelöste Probleme hinsichtlich des grenzüberschreitenden LKW-Verkehrs aufmerksam gemacht, was immer wieder zu Staus im Ortsinnern führt. Nach Meinung Stolpes wäre eine Lösung möglich, wenn die Grenzkontrollkräfte personell und technisch weiter gestärkt werden. Er habe den Eindruck, sein Innenminister Alwin Ziel sei dazu bereit. Der Ministerpräsident besuchte den Bundeswehr-Fliegerhorst Drewitz, der künftig als Regionalflughafen im Süden Brandenburgs Bedeutung erlangen könnte und zeigte sich angetan von einer zivilen Nutzung. Tom Schönherr/adn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen