Europa-Team im Eishockey: Viel mehr als eine Werbeidee
Die Macher des World Cup of Hockey brauchten einen Lückenfüller und schufen ein Europa-Team. Das beweist, dass Sport keiner Nationen bedarf.
Die Gründung dieser europäischen Gemeinschaft war eigentlich nur eine Marketingidee. In Kanada wurde in den vergangenen Tagen ein neues „Wir“ kreiert: Team Europa heißt es und hat sich beim bestbesetzten Eishockeyturnier der letzten Jahre, dem World Cup of Hockey, überraschend bis ins Endspiel gegen den Gastgeber vorgespielt.
„Auf einmal stehen wir im Finale, wer hätte das gedacht? Nur wir. Buchstäblich nur wir“, twitterte der deutsche Nationalspieler Christian Ehrhoff. Wir Deutschen, Schweizer, Österreicher, Franzosen, Dänen, Norweger, Slowaken und Slowenen, meinte Ehrhoff. Aus acht kleinen Eishockeynationen ist diese Mannschaft nämlich zusammengebastelt worden, um auf dem Alten Kontinent das Interesse an dem Turnier anzufeuern. Die starken Finnen, Schweden, Russen und Tschechen sind ohnehin dabei.
Ein grenzüberschreitendes Experiment, das offenbart, dass es das nationale Gedöns nicht braucht, um Identifikation zu schaffen. In Kanada hat der unerwartete sportliche Erfolg den europäischen Integrationsprozess auf dem Eis im Rekordtempo beschleunigt. Die Erfahrung, dass das Team Europa als Einheit funktioniert, schweißte alle zusammen.
In den kleinen Eishockeynationen erfreut man sich daran, beim Turnier mit allen Stars der nordamerikanischen Profiliga NHL nicht nur mitmischen zu dürfen, sondern mit vereinten Kräften den Großen die Stirn zu bieten. Auch in der Nacht auf Mittwoch in der ersten Finalpartie der Best-of-three-Serie gegen die hochfavorisierten Kanadier demonstrierte die europäische Impro-Kombo ihre Konkurrenzfähigkeit und verlor lediglich 1:3 (0:2, 1:0, 0:1).
Auch in anderen Sportarten möglich
Der an diesem Wochenende beginnende Ryder Cup, das traditionsreiche Mannschaftsgolfturnier, bei dem sich die USA und Europa gegenüberstehen, zählt sowieso schon lange zu den größten Events des globalen Sportkalenders. Nirgends geht es bei den Profigolfern so emotional zu wie dort. Um den sportlichen Wettbewerb aufzuwerten, lässt der Internationale Tischtennisverband seit 2005 bei den Weltmeisterschaften auch länderübergreifende Doppel zu.
Warum also sollte man sich in anderen Sportarten weiter national beschränken? Werben doch zudem die Funktionäre immer wieder mit der Integrationskraft des Sports. Statt die Fußball-WMs mit zweitklassigen Nationalteams aufzublähen, könnte man die besten Fußballstars aus nicht qualifizierten Ländern zu einem Team zusammenfassen.
So hätten bei der WM 2014 in Brasilien auch Robert Lewandowski, Zlatan Ibrahimovic, Gareth Bale, Marek Hamsik oder Petr Cech in einer Europaauswahl dabei sein können. Der Qualität des Turniers wäre das nur zugutegekommen. Und es hätte viele Fußballfans in Europa einander näher gebracht.
Andernorts lösen derlei grenzüberschreitende Visionen reflexartig Ängste aus. Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch sorgte Mitte des Jahres mit einem an Kanzlerin Angela Merkel gerichteten Facebookeintrag für Verwunderung. Sie schrieb: „Und anders als Sie wollen wir die Fußball-EM auch nicht abschaffen, sondern auch künftig gegen Italien und Spanien spielen, statt in einer gemeinsamen EU-Mannschaft.“
Von Storch hatte offenbar einen entsprechenden Beitrag des Onlineportals Der Postillon ernstgenommen und nicht als Satire erkannt.
Ersetzen werden Kontinentalteams das nationale Wetteifern gewiss nicht. Christian Ehrhoff vom Team Europa mutmaßte in Kanada schon, dass die Mannschaft ob des – aus Sicht der Veranstalter – viel zu großen Erfolgs wohl nicht wieder eingeladen würde. Es wäre zu bedauern. Das Team ist viel mehr als eine gute Marketingidee.
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