Eurogipfel in Brüssel: Ein Schritt vor und zwei zurück
Weil sie erst den Bundestag konsultieren muss, blockiert Angela Merkel den neuen Eurorettungsplan. Ihre Amtskollegen verlieren langsam die Geduld.
![](https://taz.de/picture/244422/14/Eurochefs.jpg)
BRÜSSEL taz | Draußen demonstrierten rund 50 "Empörte" gegen die Herrschaft der Banken und der Märkte. Drinnen, im hermetisch abgeriegelten Justus-Lipsius-Gebäude im Europaviertel, wuchs die Empörung ebenfalls: Was als ultimativer Gipfel zur Eurorettung geplant war, verkam am Sonntag wegen einer deutschen Blockade zeitweise zur Farce.
"Heute fallen keine Entscheidungen", hatte Angela Merkel vor Beginn des Treffens mit ihren 26 EU-Amtskollegen verkündet. Weil sie den Bundestag konsultieren muss, soll erst ein zweiter Sondergipfel am Mittwoch Beschlüsse fassen. Außerdem gehe es um "technisch zum Teil sehr komplizierte Prozesse", rechtfertigte Merkel die Verzögerung.
Dabei stehen die Grundzüge des neuen Eurorettungsplans längst fest: Das hoffnungslos überschuldete Griechenland soll durch einen Schuldenschnitt von rund 50 Prozent entlastet werden. Zuvor wollen die 17 Euroländer ihre Banken mit rund 100 Milliarden Euro rekapitalisieren, damit sie nicht unter dem zu erwartenden Griechenland-Schock zusammenbrechen. Außerdem wollen sie den Eurorettungsschirm EFSF mit einem Finanzhebel aufblasen, sodass er bis zu eine Billion Euro ausleihen kann - genug, um zur Not auch Italien oder Spanien unter die Arme zu greifen.
Juncker kritisiert Tempo in Berlin
Seit Tagen feilen Experten an an dem Plan, der das gescheiterte Hilfskonzept vom letzten Eurokrisengipfel am 21. Juli ersetzen und die seit Wochen extrem nervösen Märkte beruhigen soll. Am Freitagabend hatten sich schon die Finanzminister in Brüssel getroffen, am Samstag gab es einen deutsch-französischen Minigipfel, am Sonntagmorgen zitierten Merkel und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy den italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi zu einem Krisenfrühstück, um ihm neue Reformen abzuringen. So einen Gipfelmarathon hatte Brüssel seit Beginn der Schuldenkrise in Griechenland noch nicht erlebt.
Doch dann kam nichts, jedenfalls nichts Endgültiges. Zwar traten Merkel und Sarkozy nach dem Ende des offiziellen EU-Gipfels gemeinsam vor die Presse. Merkel warb für Änderungen am EU-Vertrag, um die "Haushaltsdisziplin strenger zu fassen". Sarkozy lobte die deutsch-französische Zusammenarbeit, obwohl es zuletzt heftig geknirscht hatte, und sah sogar schon Anzeichen einer Entspannung der Eurokrise: Irland habe die Krise hinter sich, Portugal sei auf dem richtigen Weg, Spanien gehe es besser.
Aber die Beschlüsse wurden auf Merkels Geheiß zurückgehalten. Und das führte hinter den Kulissen zu Streit. "Das Organisationstempo in Berlin ist langsamer als in den anderen Hauptstädten", kritisierte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker ungewöhnlich offen. Er habe zwar Verständnis dafür, dass der Bundestag auf seinem Budgetrecht bestehe, "aber das darf nicht dazu führen, dass die EU nicht in der gebotenen Schnelligkeit reagieren kann".
"Finanzhebel" weiter strittig
Unzufrieden zeigte sich auch die Chefin der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms: Merkel habe ein "desaströses Krisenmanagement" hingelegt. Obwohl erst am Mittwoch Beschlüsse gefasst werden sollen, müssten bereits am Sonntag wesentliche Entscheidungen fallen, sagte Harms.
Auf Unverständnis stieß auch, dass sich Merkel und Sarkozy offenbar immer noch nicht auf den "Finanzhebel" für den Eurorettungsschirm EFSF geeinigt haben. Sarkozy sagte zwar, dass sich eine "ziemlich breite Einigung" abzeichne, und Merkel ergänzte, dass die Europäische Zentralbank nicht angezapft werde, Details des neuen, "gehebelten" Rettungsschirms sind aber weiter strittig.
Dabei warten die Märkte genau darauf mit Hochspannung. Und die EU-Politiker starren gebannt auf die Märkte - was wiederum die "Empörten" aufregt. In Brüssel wurden bereits weitere Proteste angekündigt - für den nächsten, angeblich letzten Eurokrisengipfel am Mittwoch.
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