Euphorie weicht Ernüchterung: "Unmenschliches" Arbeiten bei Nokia
Rumänische Gewerkschaften kritisieren die Arbeitsbedingungen in dem neuen Nokia-Werk in Jucu als "unmenschlich". Sie drängen auf die Aushandlung eines Tarifvertrags.
"Wer aus Profitsucht Beschäftigte ins Elend treibt, gehört enteignet!" Diesen Satz brachten protestierende Nokia-Mitarbeiter an einer Tür des Bochumer Werks an, nachdem sie von der Schließung des Unternehmens und dem geplanten Umzug nach Rumänien erfahren hatten. Dort dagegen freute man sich über die Standortverlagerung. Überschwänglich bezeichneten Bukarester Zeitungen sie als einen wirtschaftlichen Sieg Rumäniens über Deutschland.
In dem medial inszenierten allgemeinen Freudentaumel wurde die später zurückgenommene Einladung des finnischen Konzerns verschwiegen, die Bochumer Angestellten könnten sich ja um einen neuen Arbeitsplatz in Rumänien bewerben, wo sie außer einem monatlichen Gehalt von 200 Euro auch noch Essensmarken und günstige Sozialwohnungen bekämen.
Auch die rumänischen Gewerkschaften zogen es vor, sich nicht an den von der Europäischen Metallgewerkschaft vorgeschlagenen Protestaktionen gegen Nokia zu beteiligen. Schließlich wollten sie den Umzug in das in der Nähe von Klausenburg (Cluj) gelegene Jucu nicht gefährden. Inzwischen sind sie aber aufgerüttelt. Die ursprüngliche Euphorie scheint verflogen, nachdem bekannt wurde, dass die rumänischen Angestellten der Nokia-Filiale wöchentlich nicht wie gesetzlich erlaubt 48 Stunden, sondern 60 bis 70 Stunden arbeiten sollen.
Um den finnischen Wünschen nach Flexibilisierung nachzukommen, muss das rumänische Arbeitsrecht geändert werden. Entsprechende Pläne des Arbeitsministeriums kritisierte Bogdan Hossu, der Vorsitzende der rumänischen Gewerkschaft Cartel Alfa, in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung. Hossu war nach Klausenburg gekommen, um in dem neuen Betrieb eine Basisorganisation zu gründen - gegen den Willen von Nokia. Er bezeichnete die beabsichtigten Arbeitszeitverlängerungen sowie die Einführung von drei Schichten, mit der die Zahl der benötigten Arbeitsplätze reduziert werden soll, als "eine neue Form moderner Sklaverei". Die Pläne des Konzerns, Studenten als Teilzeitbeschäftigte einzustellen, die dann in zwei Schichten 60 Stunden pro Woche schuften sollen, seien "unmenschlich". Nokia hat diese Beschuldigungen zurückgewiesen. Es gebe keinerlei Pläne, die Wochenarbeitszeit auszuweiten.
Obwohl bislang alle Bemühungen der Gewerkschaft gescheitert waren, mit der lokalen Nokia-Leitung Kontakt aufzunehmen, kündigte Hossu an, er werde versuchen, mit dem Konzern einen Tarifvertrag auszuhandeln.
Die Handy-Produktion ist vor einigen Tagen angelaufen. Laut Berichten der Lokalpresse arbeiten in der Nokia-Fabrik 350 Angestellte, davon sind nur 15 der Gewerkschaft beigetreten. Bis Ende 2008 soll die Zahl der Beschäftigten auf insgesamt rund 1.200 angehoben werden.
Über die Gehälter der Beschäftigten zirkulieren diverse Gerüchte. Die Höhe der Entlohung gilt als Betriebsgeheimnis, ebenso genaue Angaben über die - im Vergleich zu Bochum - niedrigeren Produktionskosten. Laut Medienberichten wurden uniformierte Aufpasser beauftragt, Kontakte zwischen Journalisten und Angestellten zu verhindern. Auf Fragen bezüglich ihrer Löhne oder ihrem früheren Beruf gaben die Angestellten keine Antwort. Angeblich liegt der Lohn um die 200 Euro, was in etwa dem rumänischen Durchschnitt entspricht.
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