■ Ex & Hopp: Etikettenpest
Endlich mal Zeit – Sie schlendern durch die Stadt, vielleicht findet sich ja das eine oder andere Teil, das im Kleiderschrank schon immer gefehlt hat. Und tatsächlich, der Schnitt, die Farbe, alles einwandfrei, es sitzt wie angegossen und dann – dann kommt der Horror: DIE ETIKETTENPEST!
Nein, nicht daß der Preis ein paar Nummern zu groß wäre für das dünne Portemonnaie. Was da aber sonst zu lesen steht, das ist die Unverschämtheit überhaupt, denn da steht: ,wash seperately'. Der Etikettzwang, daß die Klamotte Individualbehandlung braucht, der verbreitet sich seuchenmäßig schnell. Man kriegt ja praktisch kein Stück mehr, das man ohne schlechtes Gewissen mit den KollegInnen aus dem Wäschepuff in die Maschine stecken könnte. Denn schon nagt das Gewissen: „Wie wird es wohl aussehen danach, das Hemd? Wird es dann Janosch passen?“ Janosch ist vier. Oder, noch schlimmer: „Wie wird die restliche Wäsche aussehen?“ Dabei schien die Zeit des Wohngemeinschafts-bleu doch endgültig vorbei.
Wer ruiniert schon gerne seine Wäsche? Aber: Wer wäscht schon gerne per Hand? Oder: Wer will schon die Ökosau sein, die für jedes einzelne Stück gleich die Maschine anschmeißt? Spartaste hin, Spartaste her.
Es gibt nur eine Lösung, und die, so beweist die kapitalismuskritische Analyse der Etikettenpest ganz einwandfrei, die ist gewollt: Sie müssen nur so viele Kleidungsstücke von derselben Farbe kaufen, wie die Trommel faßt. Und wenn dann Ihr Kleiderschrank aussieht wie eine Benetton-Filiale, dann können Sie sich entspannt zurücklehnen. Bis zu den aktuellen Trendfarben des Modefrühlings –95.
Jochen Grabler
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