■ Etienne-Emile Baulieu entdeckte 1982 die Abtreibungspille RU 486. Um die Produktion zu sichern, stellt er sie jetzt in eigenen Laboren her: „Ich darf keine Details nennen“
taz: Sie sind der Vater der Abtreibungspille. Haben Sie damit gerechnet, daß Ihr Molekül eine jahrelange und weltweite Kontroverse auslösen würde?
Etienne-Emile Baulieu: Natürlich nicht. Wir hatten ein Molekül gefunden, das das Hormon Progesteron, welches die Schwangerschaft ermöglicht, blockieren kann. Ich wollte keine Frau zur Abtreibung animieren, sondern die Abtreibung medizinisch erleichtern. Das ist nötig, weil es an vielen Orten weder das Fachpersonal noch das nötige Material für chirurgische Abtreibungen gibt. Außerdem ermöglicht sie eine Schwangerschaftsunterbrechung, die weniger traumatisiert. Moralisch und mental ist eine Abtreibung ohnehin hart genug. Hinzu kommen die Schmerzen, der Zwang, auf einen Operationstisch steigen zu müssen, und die Infektionsgefahr. Viele Männer und besonders die religiösen waren sofort dagegen.
Hat der Widerstand gegen die RU 486 nur ethische Gründe?
Das ist eine Mischung aus Ideologie und Ökonomie. Die Aktienmehrheit von Roussel lag bei Hoechst/Frankfurt. Der damalige Präsident von Hoechst, Wolfgang Hilger, ein fundamentalistischer Katholik, hat eine ideologische Sache daraus gemacht. Zugleich haben die Boykottdrohungen in den USA, wo Abtreibung immer ein Politikum ist, den ökonomischen Vorwand für den Rückzug aus der RU 486 geliefert. Inzwischen hat Hoechst auch noch mit der amerikanischen Firma Marion fusioniert, die alle Probleme in den USA vermeiden will.
Warum haben Sie vor dem Verschwinden Ihrer Pille gewarnt?
Bis 1997 lagen die Rechte bei Hoechst. Dann bekam Exelgyn die Lizenz – gratis. Ich war beunruhigt, weil das kleine Unternehmen nur die Restbestände vertrieb, aber nicht in der Lage war, die Produktion zu gewährleisten.
Wo sind die Labore, die trotz Boykottdrohungen die Abtreibungspille produzieren?
In Frankreich. Aber wir können das auch in England oder in Taiwan machen. Aus Sicherheitsgründen darf ich keine Details nennen.
Kann die Abtreibungspille eine Konkurrenz für die Anti-Baby- Pille werden? Ein Mittel, daß frau im schlimmsten Fall zwölf- statt 365mal im Jahr schlucken muß?
Die Zukunft liegt nicht in einer Pille, die eine schon begonnene Schwangerschaft unterbricht. Medizinisch ist es nicht wünschenswert, daß eine Frau jeden Monat eine Befruchtung hat. Außerdem treibt keine Frau gerne ab. Aber etwas Zusätzliches zu haben kann nicht schaden. Interview: Dorothea Hahn
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