Ethnische Entmischung: Koch will keine "Milieuhäuser"
Ein Haus für Türken, eins für Russlanddeutsche? Hessische Regierung rüffelt Wohnungsunternehmen für Idee, Wohnungen nach ethnischen Kriterien zu vermieten.
BERLIN taz Hessens Ministerpräsident Roland Koch hat Überlegungen einer landeseigenen Wohnungsgesellschaft einkassiert, ihre Mieter nach Ethnien zu sortieren. "Eine Vermietung von Wohnungen getrennt nach Nationalitäten ist der völlig falsche Weg und stellt eine Kapitulation vor zweifellos vorhandenen Problemen bei der Integration dar", erklärte der CDU-Politiker. Die Konsequenz könne deshalb nicht sein, "Milieuhäuser homogener Kulturkreise zu schaffen".
Damit wird die Nassauische Heimstätte, die in Hessen und Thüringen 64.000 Wohnungen verwaltet, von ihrem Mehrheitsgesellschafter gerüffelt. In Hessen läuft gerade der Landtagswahlkampf an. Die Vorschläge der Wohnungsgesellschaft brechen mit dem integrationspolitischen Leitbild, das sozial gemischte Mieterschaften vorsieht. Koch fürchtete offenbar, dass er für die strittigen Ideen im laufenden Landtagswahlkampf haftbar gemacht würde.
Der Pressesprecher der Nassauischen Heimstätte behauptete am Mittwoch, sein Chef Thomas Dilger sei verkürzt dargestellt worden. Es gebe keine Geschäftspolitik, die "ethnische Segregation befördere und Wohnblocks nach Ethnien getrennt vermiete", versicherte er. Allerdings hatte Dilger bei einer Tagung in Berlin gesagt, er plädiere für eine Mischung in den Quartieren, aber nicht in den Häusern. "Wir sehen in der Durchmischung in den Häusern keine Zukunft mehr", heißt es in seinem Redemanuskript, das der taz vorliegt. Die Nassauische Heimstätte wolle auf Milieuhäuser setzen. Begegnung könne im Wohnumfeld in der Freifläche mit entsprechenden Angeboten gefördert werden, nicht im Haus. "Eine 75-jährige Oma hat ein anderes Verständnis von Sauberkeit und Erziehung als eine junge Migrantenfamilie."
Koch erklärte, der Chef der Wohnungsgesellschaft habe seine Ideen nicht mit dem Aufsichtsrat abgestimmt, in dem der Landeswirtschaftsminister den Vorsitz hat. Dilgers Sprecher sagte nun der taz, das Unternehmen versuche lediglich, "einen Prozess zu begleiten, der sowieso stattfindet". Es sei oftmals der Wunsch der Mieter, in ähnlichen kulturellen und ethnischen Milieus zu leben. Dem müsse man sich stellen. Sein Unternehmen betreibe "aktiv Integration". Bei Streitigkeiten in den Wohnquartieren stünde etwa ein Konfliktmanager bereit. Dazu kommen Quartierscafés und Mama-lernt-Deutsch-Kurse.
Dass die Wohngesellschaft beim Thema Integration manchmal eigensinnige Vorstellungen hat, bewies das Unternehmen schon vor zehn Jahren. Damals gab es das Video "Mein Nachbar ist Deutscher" heraus. Darauf erklärte die Wohnungsgesellschaft Migranten unter den Mietern, was in einem deutschen Haus wichtig sei: Ruhe, Ordnung, Pünktlichkeit und Sauberkeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!