Ethanol in Brasilien: Subvention von Sklavenarbeit
Der Agrosprit verursacht sklavenähnliche Arbeitsverhältnisse, die Verdrängung von Kleinbauern und Monokulturen. Doch Brasiliens Regierung vergibt großzügige Kredite.
PORTO ALEGRE taz | Sklavenähnliche Arbeitsverhältnisse, Verdrängung von Kleinbauern und Ureinwohnern von ihrem Land, Zerstörung wertvoller Ökosysteme durch Monokulturen, Bedrohung von Quellgebieten: Diese und andere Folgen des Ethanolbooms in Brasilien werden von einheimischen Aktivisten, NGOs und Regierungsfunktionären seit vielen Jahren angeprangert. Doch Verbesserungen gibt es kaum, denn die Agrarlobby beherrscht Regierung, Parlament und Medien.
Die Zucker- und Ethanolproduktion wird massiv von den Steuerzahlern subventioniert: In der achtjährigen Amtszeit von Luiz Inácio Lula da Silva erhielten die Zuckerbarone von der staatlichen Entwicklungsbank BNDES günstige Kredite in Höhe von umgerechnet 122 Milliarden Euro, ein Viertel davon allein im letzten Jahr. Seit 2005 wurden 150 neue Fabriken gebaut, die Anbaufläche weitete sich auf 8 Millionen Hektar aus.
Besonders gut hat es Marktführer Cosan, der jetzt mit Shell do Brasil zum Energieriesen Raízen fusioniert. Anfang 2010 war Cosan wegen eines landestypischen Falles von Sklavenarbeit kurzzeitig auf der schwarzen Liste des Arbeitsministeriums gelandet: Auf Zuckerrohrfeldern bei einer Cosan-Fabrik im Bundesstaat São Paulo waren 42 Arbeiter entdeckt worden, die unter menschenunwürdigen Bedingungen schufteten.
Die Inspektoren des Arbeitsministeriums stellten 13 Verstöße gegen die Arbeitsgesetzgebung fest: darunter schlechte Wohnbedingungen, Einsatz von Minderjährigen bei Schwerstarbeit oder Fehlen von Trinkwasser am Arbeitsplatz. Zudem waren die Wanderarbeiter aus dem armen Nordosten einem Subunternehmer in Schuldknechtschaft ausgeliefert.
Flugs hob ein Richter den Beschluss des Arbeitsministeriums auf, der einen Kreditstopp für Cosan zur Folge gehabt hätte. Und die Regierungsbehörde, die in solchen Fällen üblicherweise erfolgreich Einspruch erhebt, verzichtete diesmal darauf. Die Tageszeitung Folha de São Paulo enthüllte nun, warum: Die Regierung ließ sich auf einen "Deal" mit Cosan ein. Darin verpflichtet sich der Konzern, interne wie externe Kontrollmechanismen zu verbessern. Zwar hatte Cosan zuvor drei ähnliche Abkommen nicht eingehalten, aber dies durch eine "Spende" in Höhe von 2 Millionen Euro an die Behörden wettgemacht.
Aktivisten der Kampagne gegen Sklavenarbeit sind entsetzt. "Wenn das so ist, kann die Regierung die Liste gleich abschaffen", sagt Staatsanwältin Ruth Vilela, die bis 2010 die Inspektionsabteilung im Arbeitsministerium leitete. Die Entwicklungsbank sei sehr freizügig bei der Kreditvergabe. Nur gegen 15 von 89 Firmen, die ab 2008 Staatskredite erhielten, seien keinerlei Prozesse anhängig, heißt es in einer neuen Studie der NGO Repórter Brasil. Im Bundesstaat Mato Grosso do Sul, wo die Guarani-Indígenas auf besonders dramatische Weise vom Agrobusiness in die Zange genommen werden, finanzierte die Bank Fabriken, die Zuckerrohr von Eindringlingen auf Indianerland verarbeiten.
Der Einsatz von giftigen Pestiziden nimmt zu
Die Umweltprobleme, die der Ethanolboom mit sich bringt, sind Legion: etwa die schleichende Zerstörung des Atlantischen Regenwaldes, der artenreichen Waldsteppe Cerrado und die Bedrohung des Feuchtgebiets Pantanal. Das Amazonasgebiet ist indirekt betroffen, da die Ausweitung der Zuckerrohrfelder Viehzucht und Sojaproduktion vom Südosten und Mittleren Westen gen Norden verdrängt.
Der Einsatz von giftigen Pestiziden und Kunstdünger nimmt zu, verbotene Produkte werden aus Paraguay hereingeschmuggelt. Brandrodung mit den entsprechenden Gesundheits- und Klimabelastungen ist im Zuckerrohranbau immer noch verbreitet, auch wenn die zunehmende Mechanisierung eine bessere Zukunft verspricht. Berücksichtigt man die gesamte Produktionskette, vor allem die Rodungen, relativiert sich auch die vergleichsweise gute Klimabilanz des Ethanols.
Die Verlagerung von Anbauflächen für Lebensmittel schließlich findet zwar regional statt, doch eine vielfach auch friedliche Koexistenz zwischen Agrobusiness und Kleinbauernbetrieben, die 70 Prozent der Nahrungsversorgung sicherstellen, ist in dem Riesenland immerhin gegeben. In Zentralamerika oder Afrika, wo Brasilien massiv Agrospritprojekte fördert, sieht das ganz anders aus.
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