Esther Slevogt betrachtet das Treibenauf Berlins Bühnen:
Im Zentrum der Arbeit der österreichischen Choreografin Doris Uhlich steht die Dialektik zwischen dem Perfektionsanspruch, den der Tanz in der Regel an den Körper stellt, und dem Nichtgenügen dieses Anspruchs. Denn Körper sind ja tatsächlich meist imperfekt, Menschen können beispielsweise dick oder versehrt sein. Doch ist das, was als perfekt behauptet wird, überhaupt perfekt? So reißen die Arbeiten von Doris Uhlich stets Auseinandersetzungs- und Selbstbehauptungsräume auf und schaffen dabei einen Blick für eine ganz eigene und wahrhaftige Schönheit, die das Leben ist. „Every Body Electric“ heißt ihre neue Arbeit für neun Performer*innen, die nun in den Sophiensælen gezeigt wird und sich mit der Frage auseinandersetzt, welche Möglichkeiten sich eröffnen, wenn Maschinen wie Rollstühle, Prothesen oder Krücken als Körpererweiterung begriffen und inszeniert werden (Sophiensæle: „Every Body Electric“, 13. und 14. 9., jeweils 19 Uhr).
Die Verhältnisse versuchen nicht allein zu diktieren, wie unser Körper auszusehen hat. Sie formatieren auch die Art, wie wir lieben. Diese These liegt der neuen Arbeit Oliver Frljic zugrunde, der dafür zwei russische Romanstoffe zusammenspannt: Lew Tolstojs berühmten Roman „Anna Karenina“ nämlich, und „Arme Leute“ von Fjodor Dostojewski. Während sich die Liebestragödie als Gesellschaftsdrama bei Tolstoj unter der Oberfläche großen Reichtums zusammenbraut, besteht die Tragödie bei Dostojewski darin, dass die Liebe ausfallen muss, da die Protagonist*innen zu arm sind, um sie sich überhaupt leisten zu können (Gorki Theater: „Anna Karenia und Arme Leute“, Premiere 15. 9., 18 Uhr).
Homers berühmtes Epos „Die Odyssee“ ist die Geschichte eines Kriegers, der fast als einziger den Krieg überlebte. Doch Poseidon hatte ihn verflucht, weshalb seine Heimreise zwanzig Jahre dauerte. Der Regisseur Thorleifur Örn Arnarsson hat sich diesen antiken europäischen Mythos nun vorgenommen, um auch das Echo heutiger Kriege darin anklingen zu lassen. Arnarsson ist ein Meister suggestiver Raumerzählungen und Atmosphären und in der Volksbühne wird aus der Odyssee nun „Eine Odyssee“, also eine Irrfahrt durch das Trauma des Krieges, die stellvertretend für viele andere steht (Volksbühne: „Eine Odyssee“, Premiere 12. 9. 19 Uhr). In der Volksbühne findet außerdem am 13. 9. die Konferenz „Das ist Netzpolitik“ von netzpolitik.org statt. Dieses wichtige netzpolitische Medium feiert in diesem Jahr sein 15. Bestehen (Volksbühne: „Das ist Netzpolitik“, 13. 9. ab 12 Uhr. Das vollständige Programm findet sich unter: netzpolitik.org/15np_programm).
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