Esther Slevogt betrachtet das Treibenauf Berlins Bühnen:
Der Berliner Künstler Christian von Borries war 2016 als Mitglied eines Search-and-Rescue-Teams mit an Bord eines zivilen Rettungsschiffs vor Libyens Küste, um in Seenot geratenen Flüchtlingen zu Hilfe zu kommen. Das meldet das HAU in Zusammenhang mit der Ankündigung der neuen Arbeit des Künstlers, einer Auseinandersetzung mit seinen Erlebnissen an Bord. Auf dem Schiff beobachtete von Borries das Rettungsteam begleitende Medienleute, deren Verhalten die eigentliche Mission des Schiffs in den Hintergrund treten ließ: Denn bald ging es an Bord primär um Bildproduktion. „Im Retten von Menschen sah das anwesende Team in erster Linie interessantes narratives Material für einen Film“, so das HAU. In Zusammenarbeit mit dem Philosophen Dieter Lesage entwickelte von Borries das Projekt „Bild der Rettung | Rettung des Bildes“, das den Versuch unternehmen möchte, „die bildpolitischen Dimensionen solcher Unternehmungen und der betreffenden Berichterstattung zu analysieren und zu reflektieren (HAU 1: 10. 2., 19 Uhr; 11. 2., 17 Uhr).
Dabei könnte doch alles so schön sein. Aber die Welt kommt aus dem Konjunktiv nie heraus, aus der schönen Möglichkeitsform, deren Optionen aber leider selten einen Weg in die Praxis finden. Wie hat es Brecht so schön formuliert: „Wir wären gut / Anstatt so roh / Doch die Verhältnisse / Sie sind nicht so.“ Die Verhältnisse sind also schuld, nicht wir. So bleibt aber wenigstens das Theater übrig, um uns davon zu erzählen, wie das Leben sein könnte. Der Theaterdiscounter zum Beispiel, wo in dieser Woche zwei junge Menschen beschließen, in ein gemeinsames Zimmer zu ziehen und ihre Vorstellungen von einem bewussten, selbstbestimmten Leben zu verwirklichen. Und zwar in dem hierzulande noch ziemlich unbekannten Stück des berühmten britischen Dramatikers Michael Frayn, „Hier“, das Rudolf Krause inszeniert hat (Theaterdiscounter: „Hier“, 8., 9. & 10. 2., jeweils 20 Uhr).
Manche sagen ja, alles Übel der Welt hat seinen Ursprung im Privateigentum. Auch das Scheitern des Kommunismus konnte diesem Gedanken nicht wirklich etwas anhaben. Das Performance Kollektiv „She She Pop“ hat sich mit seiner neuen Arbeit nun nichts Geringeres vorgenommen, als das Geheimnis des Eigentums zu lüften und auf die Bühne zu zerren. Wie fing das alles überhaupt an, wird also jetzt in „Oratorium“ im HAU gefragt, wo mit diesem Abend ein Schlaglicht auf den Zusammenhang von bürgerlicher Öffentlichkeit, Eigentum und demokratischer Ermächtigung geworfen werden soll (HAU 2: „Oratorium“, 9., 10. & 12. 2., jeweils 19 Uhr, 11. 2., 17 Uhr).
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