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Essen in RaucherkneipenWeder Fisch noch Fleisch

Kleine Raucherkneipen müssen laut Urteil des Verfassungsgerichts auf "zubereitete Speisen" verzichten. Doch die Behörden drücken sich um eine Definition.

Wenigstens das ist klar: In diesem Lokal dürfte man essen Bild: AP

In den Kneipen geht es weiter um die Wurst. Denn immer noch ist unklar, welche Speisen in Raucherkneipen verkauft werden dürfen. Hintergrund ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Ende Juli, das Zigarettenqualm in sogenannten Einraumkneipen wieder erlaubt hat. Eine Bedingung dafür: Es dürfen keine "zubereitete Speisen" serviert werden. Doch welches Essen fällt darunter: der Kartoffelsalat aus der Packung? Die Brezel? Gar die Bulette, das bisher unangefochtene Standard-Inventar der Berliner Eckkneipe?

Berliner Senat drängt auf totales Rauchverbot

In den kommenden Wochen will sich der Senat erneut mit der Umsetzung des Rauchverbots in Kneipen beschäftigen. Zwar ginge es noch nicht darum, einen neuen Gesetzentwurf zu erarbeiten, sagte Marie-Luise Dittmar, die Sprecherin von Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke). Erste Weichen sollten indes gestellt werden. "Grundsätzlich sind wir für eine bundeseinheitliche Regelung", so Dittmar.

Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Ende Juli steht fest, dass das Berliner Nichtraucherschutzgesetz (NRSG) überarbeitet werden muss. Die Karlsruher Richter hatten klargemacht, dass, wenn Ausnahmen erlaubt würden - durch separate Raucherräume - kleine, sogenannte Einraum-Gaststätten nicht benachteiligt werden dürften. Dort darf seit dem Urteil wieder geraucht werden, wenn bestimmte Bedingungen beachtet werden (siehe Kasten). Möglich wäre allerdings auch ein totales Rauchverbot - ohne jede Ausnahme. Ein solche Regelung wünscht sich der Senat. "Das strikte Rauchverbot in Gaststätten ist vom Gesetzgeber erlaubt worden und wird auch nach dem Karlsruher Urteil aus Sicht der Gesundheitsverwaltung angestrebt", sagte Dittmar.

Auch Harald Terpe, Gesundheitsexperte der Grünen, spricht sich gegen ein Gesetz mit Ausnahmereglungen und für ein konsequentes Rauchverbot aus. Für die Grünen wäre ein bundesweiter Nichtraucherschutz erstrebenswert, der im Arbeitsschutzgesetz verankert würde. "Die Wirte hatten schon vor dem Rauchverbot die Wahl, ob in ihrer Kneipe geraucht werden darf." Würden hingegen Ausnahmen weiter erlaubt, wäre der Schutz vor dem Passivrauchen stark eingeschränkt. "Den Gästen blieben kaum Wahlmöglichkeiten", so Terpe.

Der Vorsitzende des Nichtraucherbunds Berlin, Wolfgang Behrens, begrüßt das Urteil. Ausnahmeregeln seien immer gefährlich und könnten zu Benachteiligungen führen. "Wir erhoffen uns durch diese Problematik natürlich eine strikte Lösung vom Gesetzgeber", so Behrens.

Anders sieht das der Gesundheitsexperte der CDU, Gregor Hoffmann. Er hält die Ausnahmereglungen in Berlin für sinnvoll und sieht in der Wahlfreiheit der Wirte ein hohes Gut. "Der Nichtraucherschutz soll gewährleistet sein. Dennoch ist es wichtig, in der Neuregelung des Gesetzes Ausnahmereglungen zu verankern", sagte Hoffmann. Das neue Gesetz soll mit passgenauen Ausnahmereglungen für die Kneipenlandschaft der Wahlfreiheit von Gast und Wirt nachkommen, so Hoffmann. Es gebe in Berlin genügend Alternativen für Raucher und Nichtraucher. Auch die Regelung des Nichtraucherschutzes auf Landesebene hält Hoffmann für richtig. "In jeder Region gibt es andere gastronomische Voraussetzungen, die das jeweilige Land berücksichtigen sollte."

Immerhin: Alle Stimmen sprechen sich für eine schnelle Neuregelung des Nichtraucherschutzgesetzes aus. Ob es jedoch so flott geht, ist fraglich. Nach Auskunft der Senatsverwaltung tagen Anfang September die Landesminister für Gesundheit, für Oktober sei eine Ministerpräsidentenkonferenz geplant. Offiziell haben sie laut Bundesverfassungsgericht bis Ende 2009 Zeit, ein neues Gesetz zu verabschieden. L

Drei Wochen nach dem Urteil aus Karlsruhe gibt es noch keine allgemeingültige Definition von "zubereitete Speisen". Offenbar ist das dem Senat sogar wurst. Denn auf Anfrage verweist die Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit, Marie-Luise Dittmar, lediglich auf den Hotel- und Gaststättenverband Berlin (DeHoGa), also die Kneipenlobbyisten.

Der Verband selbst hat bisher einen nicht sehr erfolgreichen Versuch unternommen, seine Mitglieder mit einem Rundschreiben aufzuklären. Darin heißt es unter anderem, dass Wirte, die das Rauchen erlauben, keine belegten Brote oder Mahlzeiten aus der Konserve anbieten dürfen. Ungeschältes Obst, Nüsse, Salzstangen, Kekse, Brezeln und Dauerwurst könnten dagegen serviert werden. Ob auch die vom Fleischer bezogene Bulette, die Bockwurst oder der im Handel gekaufte Kartoffelsalat angeboten werden darf, sei allerdings noch unklar, heißt es in dem Rundschreiben weiter.

Doch die Position des DeHoGa ist eindeutig: Natürlich soll der hauptsächlich getränkeorientierte Kleingastronom diese eigentlich "fertigen Speisen" erwärmen dürfen. Sie würden bei reiner Erwärmung auch nicht zu- oder vor-, sondern nur nachbereitet. Albrecht Winkler vom DeHoGa Berlin, der auch als Ansprechpartner in dem Rundschreiben für die Gastronomen genannt wird, sieht deshalb noch Hoffnung für die Bulette und Co.: "Der Sinn des Karlsruher Urteils sollte die Stärkung der Kleingastronome sein. Die Entscheidung zwischen Zigarette und Bulette würde den Charakter der Berliner Eckkneipe zerstören."

Damit das auch offiziell wird, will der Verband weitere Vorschläge zur Klärung der Definitionsfrage machen - und zwar dem Senat, berichtet Winkler. "In den Eckkneipen soll möglich sein, was vorher möglich war."

Ohne eine Klärung dieser Bulettenfrage durch die Behörden könne es in den Bezirken aufgrund unterschiedlicher Interpretationen der Vorgaben zur Wettbewerbsverzerrung kommen, befürchtet der DeHoGa. Momentan liegt es in der Verantwortung der Ordnungsämter und der Gastronomen, abzuwägen, wie sie die Vorgaben des Gerichts praktisch umsetzen.

Allzu große Angst, dass sie bei Kontrollen auffallen, müssen Wirte nicht haben. Denn die Ordnungsämter können momentan kaum die Zigarette in der Hand und die Bulette auf dem Tisch kontrollieren. Allein im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gibt es laut Ordnungsamt 4.000 Einrichtungen, in denen Bier verkauft wird, davon sei etwa die Hälfte Kneipen. "Die Vorgaben des Karlsruher Urteils beeinflussen unsere Arbeit kaum. Die Kontrollen beschränken sich auf die bekannten größeren Kneipen. Solange keine Beschwerde vorliegt, sind Eckkneipen von den Kontrollen nicht betroffen", so Peter Beckers, zuständiger Bezirksstadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg. Der Grund: Nur drei Mitarbeiter des Ordnungsamts stünden dafür zur Verfügung.

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