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Eskalation mit offenem Ausgang

Südafrikas Regierung verschiebt erneut die längst überfälligen Kommunalwahlen in KwaZulu/Natal – Tribut an die wachsende politische Gewalt zwischen Inkatha und ANC  ■ Aus Kapstadt Kordula Doerfler

Die ersten demokratischen Kommunalwahlen in der südafrikanischen Provinz KwaZulu/Natal werden zum zweiten Mal verschoben. Einen entsprechenden Beschluß faßte die Regierung „einvernehmlich“ am Montag abend in Kapstadt – drei Wochen vor dem Wahltermin am 29. Mai. Die Wahlen müssen jetzt bis spätestens Ende Juni stattfinden, erklärte der Minister für Provinzangelegenheiten, Chris Fismer von der Nationalen Partei. Bis dahin sollen verschiedene Empfehlungen einer überparteilichen Untersuchungskommission umgesetzt werden, darunter auch eine Verstärkung der Sicherheitsvorkehrungen.

Die Kabinettsentscheidung ist trotzdem eine Überraschung, denn die Kommission war zu dem Schluß gekommen, daß die Wahlen mit einigen Einschränkungen durchaus stattfinden könnten. Sie war von Präsident Nelson Mandela eingesetzt worden, nachdem der ANC in der Provinz eine Verschiebung der Wahl gefordert hatte, weil angeblich die Wahlregister gefälscht würden. Hinter der ANC- Forderung steht vor allem wahltaktisches Kalkül, denn die mehrheitlich von Zulus bewohnte Provinz am Indischen Ozean ist die einzige, in der die Inkatha-Freiheitspartei (IFP) unter Innenminister Mangosuthu Buthelezi die Mehrheit hat. Mandela erklärte zwar zunächst, wegen der anhaltenden Gewalt müsse eine Verschiebung der Wahlen erwogen werden, setzte dann jedoch die Kommission ein. Doch auch nach deren Bericht in der vergangenen Woche mochte er noch nicht entscheiden und erklärte, er wolle einen demokratischen Beschluß mit seinem Kabinett und den Parteispitzen fassen.

Zwar zeigten sich nach der Kabinettssitzung, die mehr als sechs Stunden dauerte, plötzlich alle glücklich über den Beschluß. Selbst Buthelezi, der in der vergangenen Woche noch damit gedroht hatte, bei einer Wahlverschiebung die Regierung zu verlassen, fügte sich und erklärte, er diene dem Frieden. Hinter dem Beschluß verbirgt sich jedoch nicht nur ein Machtkampf zwischen ANC und IFP, sondern auch ein innerparteilicher Streit des ANC. Der regionale ANC-Ableger in Natal hatte noch am Wochenende die sofortige Verhängung des Ausnahmezustands über die Provinz verlangt.

Daß die politische Gewalt dort jetzt abnimmt, dürfte ein frommer Wunsch bleiben, denn die Lage hat sich in den vergangenen Wochen wieder bedenklich zugespitzt. KwaZulu/Natal ist die einzige Region Südafrikas, in der seit dem Ende der weißen Minderheitsregierung vor zwei Jahren die politische Gewalt zwischen ANC- und IFP-Anhängern anhält. Bis Ende letzten Jahres ging die Gewalt zwar im Vergleich mit der Zeit vor den Wahlen im April 1994 zurück, seit Anfang diesen Jahres kommen jedoch wieder jede Woche mehrere Dutzend Menschen durch politische Gewalt ums Leben. Zum Jahreswechsel fanden an der Südküste mehrere Massaker statt, bei denen ganze Armeen von Inkatha-Anhängern plündernd und mordend durch ANC-Dörfer zogen – zum Teil mit tätiger Unterstützung von Polizisten, wie sich im Laufe der Ermittlungen herausstellte.

Sämtliche seitherigen Versuche seitens Mandelas, ein sogenanntes Imbizo – eine traditionelle Versammlung aller Zulus – einzuberufen, scheiterten am hinhaltenden Widerstand Buthelezis und der ihm nahestehenden Mehrzahl der Häuptlinge in der Provinz. Dafür wurde erstmals Mandelas neuer politischer Bündnispartner, Zulu-König Goodwill Zwelithini, vor zwei Wochen Ziel eines Anschlags. Bei einem Attentat auf sein Haus im Township KwaMashu nördlich von Durban wurde eine seiner Töchter getötet, eine seiner fünf Frauen und eine weitere Tochter schwer verletzt. Der König selbst war bei dem Anschlag zufällig nicht zu Hause. Es lag nahe, daß der Angriff einen politischen Hintergrund hatte, denn der König hat sich mit Buthelezi völlig überworfen.

In der vergangenen Woche verhaftete die Polizei tatsächlich wegen des Anschlags mehrere Männer, die in einem Inkatha-nahen Wohnheim für Wanderarbeiter leben. Aufgebrachte Mitbewohner stürmten daraufhin die Polizeistation, in der die Männer vernommen wurden. Am letzten Sonntag schraubte sich die Gewaltspirale weiter nach oben: Militante Zulus mißachteten ein Verbot von traditionellen Waffen und zogen schwer bewaffnet durch die Innenstadt von Durban. Bei einer Schießerei mit der Polizei wurden neun Menschen verletzt, darunter auch mehrere Polizisten.

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