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Eskalation in immer kleineren Schritten

■ Nervenkrieg um Botschaften in Kuwait geht weiter / USA weisen irakische Diplomaten aus / Verbündete zeigen sich zurückhaltend / Irak versucht, den Konflikt in diplomatische Bahnen zu lenken

Washington/Bagdad/Nikosia (afp/ap/dpa) - Der Nervenkrieg um die von irakischen Truppen umstellten ausländischen Botschaften in Kuwait ging am Dienstag weiter. Die nicht umstellte bundesdeutsche Botschaft war auch gestern ohne Strom. Die Iraker setzten ihre Bemühungen fort, die Wasserleitung zu kappen. Etliche Botschaften, darunter die der USA, sind bereits seit Tagen ohne Strom und Wasser. Die Botschaften Chinas und der Türkei mußten bereits aufgeben.

Die US-Regierung reagierte auf die irakischen Maßnahmen gegen die diplomatischen Vertretungen in Kuwait mit der Ausweisung von 36 Mitarbeitern der irakischen Botschaft in Washington. Sie wurden zum Verlassen der USA innerhalb von 72 Stunden aufgefordert. Botschafter Mohammed al-Maschat und 18 weitere Botschaftsangehörige dürfen sich nur noch in einem Umkreis von 40 Kilometern um die Bagdader Vertretung bewegen. Die Aufforderung von US-Präsident Bush, irakische Diplomaten auszuweisen, ist bei seinen Verbündeten zurückhaltend aufgenommen worden. Wie ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Bonn mitteilte, erörtert die EG derzeit, ob sie sich der US-Initiative anschließen soll. Japan hält sich mit einer Entscheidung ebenfalls noch zurück.

Nach eigenen Aussagen hat Bush wenig Hoffnung auf eine diplomatische Entschärfung der Golfkrise. Der irakische Präsident Saddam Hussein lasse nicht erkennen, daß er sich an international geltendes Recht halten wolle, sagte Bush in seinem Urlaubsort Kennebunkport. Sam Nunn, Vorsitzender des Streitkräfteausschusses im US-Senat, der sich gestern zu einem Besuch der US-Truppen in Saudi-Arabien aufhielt, warnte vor einem amerikanischen Angriff gegen den Irak. Ein Angriff, so Nunn, wäre „ein sehr blutiges Unterfangen“, bei dem die Amerikaner „schwere Verluste“ erleiden würden, auch wenn sie langfristig die Oberhand gewinnen würden. Nach Angaben der US-Zeitschrift 'Aviation Week‘ besitzt der Irak gar ausgefeilte Waffensysteme, geliefert aus der Bundesrepublik und Frankreich, die entsprechenden Systemen der USA überlegen sein könnten.

Auch der britische Verteidigungsminister King weilte gestern am Golf, um die britischen Truppen zu inspizieren und mit Vertretern der saudischen Regierung zu sprechen. Premierministerin Thatcher führte am Montag abend in London ein Gespräch mit Saudi-Arabiens Außenminister Prinz Saud. Unterdessen annektierte Saddam Hussein per Präsidentendekret Kuwait offiziell und erklärte das Ölemirat zur 16. Provinz Iraks.

Frankreich ist in seinem militärischen Engagement im Golf einen Schritt weiter gegangenen und hat gegenüber seinem lukrativen Ex-Waffenkunden Irak Entschlossenheit demonstriert. Während Premierminister Rocard den Irak warnte, Paris werde nötigenfalls militärische Gewalt anwenden, gab das Präsidialamt die Entsendung von Kampfhubschraubern nach Saudi-Arabien bekannt. Sympathiekundgebungen für Saddam Hussein sollen in Frankreich ab sofort verboten werden.

UN-Generalsekretär Perez de Cuellar erklärte in New York, er werde darauf bestehen, daß der Irak sich an die Entschließungen des Sicherheitsrates halte, seine Truppen aus Kuwait abziehe und alle Ausländer freilasse. Perez de Cuellar will morgen in Amman mit dem irakischen Außenminister Aziz zusammentreffen. Der sowjetische Präsident Gorbatschow forderte am Montag in Moskau in einem Gespräch mit dem ägyptischen Außenminister Meguid eine stärkere Einbindung der Araber bei der Lösung des Golfkonflikts. Gestern traf Meguid dann mit Bundesaußenminister Genscher in Frankfurt zusammen. Dabei sprachen sich beide für eine friedliche Lösung der Golfkrise aus. Für kommenden Montag wird der jordanische König Hussein in Bonn erwartet.

Derweil scheint der Irak zunehmend deeskalierende Zeichen zu setzen. Nach Bagdader Angaben sind die Kapitäne irakischer Handelsschiffe bereits am Montag angewiesen worden, sich Durchsuchungen westlicher Kriegsschiffe in der Golfregion nicht zu widersetzen. Auch sollen sich die in Kuwait stehenden irakischen Truppen mindestens 16 Kilometer von der Grenze zu Saudi-Arabien zurückgezogen haben. Darüber hinaus wurde die Bewegung der blockfreien Länder, der der Irak selbst angehört, von Bagdad um eine Mittlerrolle gebeten. Gegenwärtig führt Jugoslawien den Vorsitz der Blockfreien.

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