: Es sollte halt ein Politiker sein
Der Kohl-Intimus Wolfgang Bergsdorf darf die Glotz-Nachfolge an der Uni Erfurt antreten
Berlin (taz) – Sein Steckenpferd sind die Ostgebiete - jenseits der Oder-Neiße-Linie. Seine politische Karriere verdankt er Helmut Kohl, zu dessen engsten Vertrauten er seit 25 Jahren zählt. Seinen Ruf als Reaktionär verpassten ihm die Linken, weil er in der ehedem vom Verfassungsschutz beobachteten rechten Zeitschrift Mut Artikel schrieb. Seine Berufung erhielt er jetzt: Der Politologe Wolfgang Bergsdorf wird als Nachfolger von Peter Glotz die neue Elite-Universität Erfurt leiten.
Allerdings ersetzt der 58-Jährige den vor Amtsablauf gen Schweiz Geflüchteten nicht vollständig: Glotz engagierte sich auch in der Lehre, Bergsdorf wird der Hochschule in Thüringen als Präsident, als Repräsentierer vorstehen - ohne von einer Professur aus in den Vorlesungsbetrieb einzugreifen. Das hat seine Gründe.
Bergsdorf begann seine Karriere in der Politik 1973 als Büroleiter des damaligen CDU-Chefs Kohl. Als dieser 1982 „Wende“-Kanzler wurde, machte er Bergsdorf zum Leiter der Inlandsabteilung des Bundespresseamtes. Im Sommer 1989 fiel der Kohl-Intimus kurzfristig in des Kanzlers Ungnade, weil er sich auf den Intendantenposten der Deutschen Welle bewerben wollte. Kohl, gerade im Abwind, strafte die versuchte Fahnenflucht, indem er Bergsdorfs Kandidatur hintertrieb. Seinem „Küchenkabinett“ soll Kohl damals gesagt haben: „Der kann des überhaupt nit, weil der ein Chaot is“ – so kolportiert es der Spiegel. Bergsdorf blieb. 1993 machte man ihn zum Leiter der Kulturabteilung des Bundesinnenministeriums. Nach der Bundestagswahl 1998 wurde er in den Ruhestand versetzt.
Die wissenschaftliche Karriere Bergsdorfs verlief bislang eher blass. Er studierte in den 60er-Jahren Politik, Soziologie und Psychologie in Bonn und Regensburg. Fünf Jahre nach seine Habilitation, die er parallel zur Politik betrieb, erhielt er 1987 eine außerplanmäßige Professur in Bonn. Die Titel seiner eigenständigen Buchpublikationen lassen sich an einer Hand abzählen: „Literatur und Politik in Deutschland“ oder - gewiß ironisch gemeint - „Ich schreibe, also bin ich“.
Angetan hat es Bergsdorf eher das journalistische Schrifttum. Er ist Herausgeber der konservativen Tageszeitung Rheinischer Merkur und veröffentlicht in Mut. Das Blatt war in den 70er Jahren Zentralorgan der „Aktion Widerstand“, die 1970 wegen der Ostverträge forderte, „Brandt an die Wand“ zu stellen, bemüht sich mittlerweile allerdingsum einen bildungsbürgerlich-konservativen Anstrich. Bergsdorf schrieb dort zuletzt 1997 einen Nachruf auf den israelischen Religionsphilosophen Pinchas Lapide.
Die Berufung Bergsdorfs als Glotz-Nachfolger ist ja auch keinesfalls in der wissenschaftlichen Reputation des Kohl-Kandidaten begründet. Ein Politiker sollte nach Erfurt und einer, der schnell frei ist. Dass Bergsdorf keine Traumbesetzung ist, verschweigt nicht einmal der Sprecher der Uni. Es war halt eine „pragmatische Entscheidung“. Isabelle Siemes
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