piwik no script img

Es rumort im SahelFrankreich übergibt die nächste Militärbasis

Der Rückzug der französischen Armee aus Tschad ist fast komplett. Derweil erleidet die aufständische RSF-Miliz in Sudan eine schwere Niederlage.

Über Tschad erreichen Waffen die RSF in Sudan. Die Miliz verlor gerade die Stadt Wad Madani an die Armee des Landes – zur Freude dieses Manns Foto: Marwan Ali/ap

Berlin taz | Frankreichs Abzug aus Tschad nähert sich dem Abschluss. Nach der Luftwaffenbasis Faya-Largeau im Norden des Landes am 26. Dezember übergaben die französischen Streitkräfte am 11. Januar auch die größere Militärbasis Abéché im Osten des Landes an Tschads Armee. Nur in der tschadischen Hauptstadt Ndjamena stehen nun noch französische Einheiten.

Tschad hatte die Ex-Kolonialmacht Frankreich, seit der Unabhängigkeit 1960 ununterbrochen militärisch präsent, Ende November 2024 völlig überraschend zum Komplettabzug aufgefordert und eine Frist bis Ende Januar 2025 gesetzt. Die beiden Präsidenten Emmanuel Macron und Mahamat Déby haben sich seitdem gegenseitig attackiert, Frankreichs Armeeminister Sébastien Lecornu stellte am vergangenen Mittwoch offen einen Umsturz in Tschad in den Raum: „Wenn wir jetzt gehen und uns morgen ein anderes Regime bittet zurückzukommen, was machen wir dann?“, sagte er in einem Radiointerview.

Logischerweise witterten manche ein Destabilisierungsmanöver aus Frankreich, als am Mittwochabend ein Kommando aus 24 Männern den Präsidentenpalast in Ndjamena angriff. Die Männer stiegen aus einem Lastwagen, überfielen die vier Gardesoldaten an der Einfahrt mit Messern, drangen auf das Gelände vor und wurden dann in Kämpfe verwickelt; am Ende waren 18 Angreifer und ein Soldat tot. Die Überlebenden wurden Journalisten vorgeführt; sie sollen auf Drogen gewesen sein und Whiskyflaschen dabeigehabt haben, dazu Stichwaffen, aber keine Schusswaffen. Außenminister Abderaman Koulamallah sprach von einer „verzweifelten“, „unverständlichen“ und „unseriösen“ Aktion.

Oppositionelle aber fragten sich, wieso dann mit schweren Waffen geschossen wurde. Es gibt Gerüchte über schwere Zerwürfnisse an Tschads Staatsspitze. Tschads Parlamentswahlen vom 29. Dezember haben den Eindruck von Unstimmigkeiten nicht ausgeräumt: nach den Ergebnissen vom Samstag holte die regierende MPS (Patriotische Heilsbewegung) nur 124 von 188 Sitzen, obwohl die wichtigste Opposition die Wahl boykottierte.

Tschad gilt als Transitland für die Aufrüstung der RSF

Tschad steht international in der Kritik, weil es als Transitland für Waffen an die aufständische Miliz RSF (Rapid Support Forces) im benachbarten Sudan gilt. Mindestens 85 Waffenflüge aus den Vereinigten Arabischen Emiraten sollen nach UN-Erkenntnissen seit Ausbruch des Krieges in Sudan im April 2023 auf dem kleinen Flughafen Amdjarass im Osten Tschads nahe Sudans Grenze gelandet sein; die Emirate sprechen von humanitärer Hilfe.

Am Wochenende eroberte Sudans Regierungsarmee die seit Dezember 2023 von der RSF kontrollierte Stadt Wad Madani am Nil

Die Emirate gewährten Tschad bei einem Besuch von Staatschef Déby in Abu Dhabi im Juni 2023 einen Kredit von 1,5 Milliarden US-Dollar und schlossen ein Verteidigungsabkommen. Abu Dhabi beherbergt auch eine französische Militärbasis mit 250 Soldaten. Eine Woche vor der Übergabe der französischen Luftwaffenbasis Faya-Largeau in Tschad an Tschads Armee wurde dort die Landung eines russischen Flugzeuges mit mutmaßlichen Waffenlieferungen an die RSF gemeldet.

Angesichts zunehmender Kritik an der RSF-Miliz, der die US-Regierung vergangene Woche Völkermord vorgeworfen hat, dürfte Tschad jetzt ein Interesse daran haben, sich zu rehabilitieren. Die RSF erscheint isoliert. Am Wochenende eroberte Sudans Regierungsarmee die seit Dezember 2023 von der RSF kontrollierte Stadt Wad Madani am Nil – der größte Rückschlag der RSF seit mehreren Monaten. Die Regierung gibt sich jetzt zuversichtlich, auch in restlichen Gebieten am Nil die RSF vertreiben zu können, auch aus der Hauptstadt Khartum. Dann wäre die Miliz auf die Region Darfur an der tschadischen Grenze zurückgeworfen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Die Franzosen hatten sehr viel Zeit ihre(und unsere) permanent postulierten Werte in ihren ehemaligen Kolonien stärker einzubringen. Am Ende siegte aber immer die Angst vorm Verlust.

  • Auf der anderen Seite hätte ein Pax Francia Nordafrika stabilisieren können, solange dieser u.a. auf Freiheit, Demokratie und Föderalismus beruhen würde. Und das Ganze dann sozial gerecht.



    Ist immer noch besser als VR China, Putin-Imperialismus, Kleptokratie oder Islamismus.



    Selbst Anti-Imperialisten Fanboys müssen doch da die Vorteile erkennen.

    • @Ice-T:

      Ich bin mir nicht sicher, ob ein Vokabular wie "Fanboys" zu einer sachlichen Diskussion beiträgt. Stattdessen könnte man sich die Frage stellen, warum FR in Afrika mittlerweile regelrecht verhasst ist und sich stattdessen China und Russland einer größeren Popularität erfreuen (und zwar nicht nur unter den afrikanischen Eliten). Sie schreiben ja selbst: die FR Hegemonie wäre besser gewesen, hätte sie auf Demokratie, Rechts- und Sozialstaatlichkeit beruht. Hat sie aber nicht. Und das ist der Punkt: die alte globale Ordnung hat für uns gut funktioniert - aber für einen großen Teil der Welt eben nicht. Solche Realitäten muss man zur Kenntnis nehmen, wenn man verstehen will, warum FR und der Westen insgesamt in Afrika so dramatisch an Einfluss verlieren.

      • @O.F.:

        In der Tat war die Ära des frz. Imperialismus natürlich schrecklich gewesen, keine Frage. Und auch heute und in der Zukunft werden seine Auswirkungen weiterhin spürbar bleiben.

        Ich sage nur, dass eine Pax Francia damals ihre De-Imperialisierung auch anders gestalten können, indem sie sich zu einer föderalen Sphäre entwickelt hätte, in der alle dortigen Völker gemeinsam demokratisch auf Augenhöhe miteinander zusammen arbeiten.

        Ist aber leider anders verlaufen. Punkt. Aber ist dies nun das Ende der Geschichte, oder müssen wir nun mehr Pax Europaea wagen - und zwar auf eine nicht-imperialistische Art?

        Ich habe nämlich keine Lust darauf, wenn Nordafrika sich noch weiter in die Richtunbg Chaos destabilisiert, wenn wir nichts tun.

        • @Ice-T:

          Das ist ein guter Punkt: eine europäische Afrika-Politik, die zur Stabilität in der Region beiträgt, wäre schon allein aus Eigeninteresse wichtig (leider sind wir von jedem Ansatz einer koordinierten europäischen Afrika-Politik weit entfernt). Ich bin mir aber nicht sicher, ob man hier von einer Pax Europaea sprechen sollte: der Einfluss anderer – insbesondere Chinas – wird nicht verschwinden (übrigens ist auch Japan ein oft übersehener und recht interessanter Akteur dort) und das ist auch gut, weil die einseitige Abhängigkeit von Europa nach der Dekolonialisierung zu nichts Gutem geführt hat – Afrika profitiert von dieser Konkurrenz-Situation durchaus. Sinnvoll wäre eine Pax Africana, zu welcher Europa mit einer partnerschaftlichen Politik beitragen könnte (was aber gerade den Franzosen schwerfällt – die Kommentare Makrons, die nicht nur geschichtsvergessen, sondern auch noch politisch dumm waren, zeugen ja davon).

    • @Ice-T:

      Sehe ich ähnlich. Der Antikolonialismus ist in Westeuropa zur neuen Maxime geworden. Der tief verankerte Schuldkomplex wird dazu führen, dass sich Europa weitgehend aus Afrika zurückzieht.

      Der Schuldkomplex wird dann befriedigt sein. Den Menschen in Afrika wird dies aber nichts nützen. Andere Mächte mit imperialen Ambitionen sehen nun ihre Chance.

      • @Benzo:

        FR zieht sich nicht zurück, weil es unter einem Schuldkomplex leidet, sondern weil die entsprechenden Abkommen gekündigt wurden.