: „Es ist wichtig, den Krieg zu sabotieren“
Seit über 50 Jahren publiziert die „GWR“ anarchistische Ideen. Herausgeber Bernd Drücke über Remilitarisierung und die Zukunft der Bewegung

Von Peter Nowak
taz: Herr Dücke, wo sehen Sie die Aufgaben der GWR heute, wo soviel von Kriegsfähigkeit der Gesellschaft geredet wird?
Bernd Drücke: Im anarchistischen Antimilitarismus, im Aufklären über Macht- und Herrschaftsverhältnisse, im Entwickeln gewaltfrei-anarchistischer, antifaschistischer, antisexistischer Widerstandsstrategien und Utopien. Wir streben eine globale Entmilitarisierung und eine nicht patriarchalische Gesellschaft jenseits von Herrschaft, Kapitalismus und Gewalt an. Die GWR agitiert für eine Welt, die ohne Chef, Staat und Militär auskommt.
taz: Welche Rolle könnte die GWR bei der Diskussion um die Wiedereinführung der Wehrpflicht spielen?
Bernd Drücke: Mit unserer kleinen Zeitschrift und den Büchern des Buchverlags Graswurzelrevolution wollen wir dazu beitragen, die von den Herrschenden angestrebte „Kriegstüchtigkeit“ und die Wiedereinführung der Kriegs- und Zwangsdienste zu verhindern. Dazu dient auch die #ObjectWarCampaign und die von der GWR ebenfalls mitgetragene Kampagne des „anarchistischen Antikriegsrates“ gegen den jährlich am 15. Juni stattfindenden „Nationalen Veteranentag“. Jeder Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Es ist wichtig, ihn zu sabotieren, anstatt ihn durch Aufrüstung, Kriegspropaganda und Waffenexporte zu befeuern.
taz: Es wird oft gesagt, junge Menschen interessieren sich weniger für Themen wie Antimilitarismus. Erreicht die GWR junge Menschen?
Bernd Drücke: Wir haben viele ältere Abonnent*innen, die seit Jahren die GWR lesen und sie auch mit Spenden unterstützen. Jetzt kommen viele junge hinzu. So schreibt die 24-jährige Luna in der GWR 500, dass sie an der GWR die klare antimilitaristische Ausrichtung schätze: „Ich bin in einer politischen Generation sozialisiert worden, die gar nicht mehr wusste, wie sie zu Krieg steht. Ich habe um mich herum eine große Sprachlosigkeit und Orientierungslosigkeit erlebt, was das Thema betrifft. Das ändert sich mit den aktuellen Entwicklungen. Ich denke, es müssen wieder Brücken zwischen Politgenerationen hergestellt und Erfahrungswissen vergangener politischer Kämpfe weitergegeben werden, um uns gegen den Krieg zu organisieren.“ Gerade darin liegt ein Potenzial der generationsübergreifenden GWR.
taz: In der Jubiläumsausgabe erinnerte Helga Weber-Zucht an die Gewaltfreien Aktionsgruppen, deren Sprachrohr die GWR war. Wollen Sie daran wieder anknüpfen?
Bernd Drücke: Wir können aus der Geschichte der Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen lernen. Die FöGA war laut Verfassungsschutz das größte anarchistische Netzwerk der Nachkriegszeit. Dass sie sich Ende der 1990er Jahre auflöste, hat mit dem Niedergang der Friedensbewegung zu tun, und dem – vielleicht nur vorläufigen – Ende des Kalten Kriegs. Steht angesichts der massiven Remilitarisierung heute eine Revitalisierung der Gewaltfreien Aktionsgruppen an? Wir brauchen ein anarchistisch-antimilitaristisches Netzwerk, eine breite, antiautoritäre Bewegung für Zivilen Ungehorsam, Kriegsmüdigkeit und gegen jeden Krieg.
taz: Bei aller Freude über das Jubiläum. Welche Probleme gibt es bei der GWR?
Bernd Drücke: Im GWR-Herausgeber*innenkreis wünschen wir uns mehr Frauen, LGBTQIA+, Jüngere und Migrant*innen. Unser Onlineauftritt soll besser werden. Die Homepage graswurzel.net ist bisher eher eine Ergänzung zur Printausgabe. Unsere Webmaster arbeiten aber dran, auch an einem GWR-Digitalabo. Wir verkaufen monatlich 3.000 Exemplare. Das waren früher mehr, aber im Vergleich mit anderen Printmedien, die erhebliche Aborückgänge hatten oder das Erscheinen einstellen mussten, geht es der GWR gut. Die Solidarität unserer Leser*innen ist überwältigend. Als wir vor einem Jahr einen Spendenaufruf veröffentlicht hatten, haben Hunderte die GWR mit Spenden und Abos gerettet. Das Telefon in der Redaktion lief heiß, weil Leser*innen uns die Sorgen um ihr Blatt und ihre Begeisterung über die Inhalte mitteilen wollten. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass die GWR auch in den nächsten 53 Jahren Unterstützer*innen findet und erscheinen kann.
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