: Es ist vollbracht
■ Herbert von Karajan, begnadeter Dirigent und Selbstdarsteller, ist tot
„Es tut mir leid, Dir das sagen zu müssen, aber hier oben sind alle ganz verrückt nach Herbert, ja die Dirigenten sind sogar ein klein bißchen eifersüchtig auf ihn. Wir können es kaum erwarten, ihn in etwa fünfzehn bis zwanzig Jahren hier herzlich willkommen zu heißen“, heißt es in einem Telex von Arturo Toscanini (Himmel) an Sergiu Celibidache (München), zugestellt vom Dirigenten Carlos Kleiber, das kürzlich im 'Spiegel‘ nachzulesen war.
Nun haben sie ihn und können sich freuen: Der 81jährige Herbert von Karajan, geboren in Salzburg, doppeltes NSDAP -Mitglied, seit 1929 „das Wunder Karajan“ genannt und spätestens seit 1949 mit der Ernennung zum Konzertdirektor auf Lebenszeit in Wien der größte Dirigent aller Zeiten, Chef eines vorher nie dagewesenen Musik-Imperiums (mehr als 100 Millionen Schallplatten), seit 1954 bis zu seinem beleidigten Abgang im vergangenen April auch Chef der Berliner Philharmoniker, außerdem von 1956 bis 60 künstlerischer Oberleiter der Salzburger Festspiele und seit 1964 dortselbst im Direktorium, seit 1967 auch noch Chef der Salzburger Osterfestspiele, nebenbei Sportrennfahrer, Hobby -Pilot, Yacht-Besitzer und Bergsteiger - der Mann, der in seinen letzten Jahren aus Eitelkeit (er wollte keine Brille tragen) nur noch auswendig dirigierte und der mit seinen Allüren, plötzlichen Darmgrippen und absolutistischem Finanzgebaren so manche Senatoren, Musikbeauftragten, Festspielgremien und Beethoven-Fans in Salzburg, Japan und anderswo in Atem hielt und aus demselben brachte, ist tot. Gestern mittag starb Karajan, „völlig überraschend“, verlautet aus Salzburg. Der Meister selbst liebäugelte mit einem Leben nach dem Tode: „Am liebsten würde ich mich 15 Jahre einfrieren lassen, um dann noch einmal das ganze Repertoire für die Bildplatte aufnehmen zu können.“
Dieser letzte Traum des geschäftstüchtigen Egomanen wird sich nicht erfüllen. Die Ära des „Maestrissimo des Schönklangs“, des „Finanzmagiers“ und „Managerkönigs“, des „Größten“ und „Letzten“ wird fürderhin im Dirigenten-Himmel fortgesetzt werden müssen. Seinen und unsern Kollegen, allen voran dem kürzlich verstorbenen Musikkritiker Stuckenschmidt, der Karajan 1929 zum „Wunder“ erklärt hatte, wünschen wir viel Vergnügen.
chp Ein ausführlicher Nachruf folgt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen