: Es ist vollbracht
Zwischen Ausflugsdampfer und Autobahnraststätte begehen katholische Dissidenten die weltweit erste Weihe von Priesterinnen – und Rom zürnt
aus PassauMICHAEL KASPEROWITSCH
Oben im mächtigen Dom zu Passau hat Bischof Schraml mit Ach und Krach vier junge Männer zusammenbekommen, um sie am heutigen Weihetag der katholischen Kirche zu Priestern zu machen. Wenige Schritte entfernt liegt an der Donau-Promenade ein buntes Kirchenschiff zum Ablegen bereit. Auf der eigens gecharterten „MS Passau“ sollen nach jahrelangen Vorbereitungen und gegen das ausdrückliche Verbot des Vatikans weltweit erstmals sieben Frauen zu Priesterinnen geweiht werden.
Mit ihrem revolutionären Schritt kämpfen die Frauen aus Deutschland, Österreich und den USA für den Austausch des Wörtchens „Mann“ gegen das Wörtchen „Mensch“ im maßgeblichen Paragrafen des Kirchengesetzes. Im Canon 1024 des Codex Iuris Canonici heißt es nämlich: „Die heilige Weihe empfängt gültig nur ein getaufter Mann.“ Um das zu ändern, wollen die Frauen nun mit rund 200 geladenen Gästen auf dem schwankenden Motorschiff zu neuen Ufern aufbrechen. Nach massiven Anfeindungen und aus Angst vor Störungen kontrollieren Herren eines privaten Sicherheitsdienstes in feschen Trachtenjankern dezent, aber streng den Zutritt.
Mitten im Fluss verläuft die Grenze zwischen Österreich und Deutschland. Während der etwa fünfstündigen Fahrt kreuzt die „MS Passau“ sie mehrfach. „Jetzt sollen sich die hohen Herren erst einmal darüber einig werden, ob die Diözese Passau oder die Diözese Linz Maßnahmen gegen uns ergreifen soll“, sagte Gisela Forster, eine der Kandidatinnen.
Das ersehnte Ziel ist am Ende die Anerkennung der Priesterinnenweihe durch die Amtskirche. Das kann noch lange dauern, aber die Frauen haben peinlich darauf geachtet, dass bei der feierlichen Zeremonie im Unterdeck der „Passau“ auf jeden Fall schon mal der römisch-katholische Ritus eingehalten wird. Für den zelebrierenden Bischof, Monsignore Romulo Braschi aus Argentinien, legten sie eine notariell beglaubigte apostolische Amtsnachfolge, die so genannte Sukzession vor. Weil die einmal weitergegebene Weihe selbst nach dem offiziellen Kirchenrecht ewige Gültigkeit hat, schadet es auch nichts, dass Braschi längst nicht mehr zur römisch-katholischen Kirche gehört. Ihm assistierte der ehemalige Benediktinerpater Ferdinand Regelsberger, den Braschi selbst erst kürzlich zum „Bischof“ ernannte. Die Frauenweihe sei sakramental gültig, lediglich kirchenrechtlich noch illegal – auf diese Formel legen sich die Initiatorinnen fest. Ob das auf Dauer trägt, ist völlig offen. Die Amtskirche hat den heiligen Donau-Ausflug jedenfalls schon mal als „Sektenspektakel“ und „Mummenschanz“ abgetan.
Tatsächlich sorgt die strikte Orientierung am offiziellen Ritus für manche Kuriosität. Als Braschi, der den Gottesdienst auf Spanisch hält, von „hermanos“ (Brüdern) spricht, wo er doch nur „hermanas“ (Schwestern) vor sich hat, macht sich Unruhe breit. „Das ist nun mal so vorgeschrieben“, wirft der spürbar nervöse Bischof dann während der Handlung kurz ein. Später besänftigt er seine Gemeinde, man müsse „hermanos“ als „Geschwister“ verstehen.
Die anschließende Pressekonferenz findet in der österreichischen Autobahnraststätte Suben statt. Dort verteidigt die frisch geweihte Priesterin und promovierte Theologin Ida Raming das Aufsehen erregende Vorhaben. Zuvor hatten auch kritische Katholiken bemängelt, mit der Aktion würden Türen zum Dialog mit der Amtskirche über kleine Reformschritte zugeschlagen. „Jahrzehntelang haben wir diskutiert, alle Argumente gegen Frauen als Priesterinnen widerlegt“, wendet die fast siebzigjährige Raming ein, „jetzt muss sich endlich was bewegen.“
Das weitere Gespräch mit den 30 bis 40 Journalisten in Suben findet in einer ziemlich überhitzten Atmosphäre statt. Um an Braschis ohnehin schon zweifelhafter Seriosität weiter zu kratzen, fragt beispielsweise einer, ob Braschi tatsächlich zusammen mit seiner Frau in München die Tanzschule „Casa de Cuba“ betreibt. Das Paar bestreitet das nicht. „Ich wollte das nicht allein machen“, meint Frau Braschi, die auf dem Schiff an der Zeremonie als handauflegende Priesterin mitgewirkt hatte.
Ein anderer Journalist meinte, es sei bekannt, dass eine der frisch gebackenen Priesterinnen gerne ein Oben-ohne-Sonnenbad nehme. Ob sie das auch in Zukunft, ausgestattet mit der neuen Würde, so halten wolle? Die strengen Herren im Trachtenanzug werden auf Geheiß der Veranstalterinnen beinahe handgreiflich.
Die Geheimniskrämerei der letzten Monate ist noch nicht beendet. Gisela Forster kündigte an, ein weiterer römisch-katholischer Bischof werde den Neupriesterinnen zur Sicherheit eine zweite Weihe spenden. Doppelt genäht hält besser. Dieser kirchliche Würdenträger wolle sich derzeit noch nicht zu erkennen geben. Deshalb finde dieses Ereignis in seinem Wohnzimmer statt, „vielleicht noch heute“.
kommentar SEITE 13
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen