: „Es ist tierisch langweilig ohne Festina“
■ Marco Pantani soll die Tour für alle retten, die Telekom langweilig finden. Doch dem Bergkönig hat der Ausschluß von Virenques Team den Spaß verdorben
Le Cap D'Adge (taz) – Marco Pantani hat sich die Tour de France anders vorgestellt. Wer nicht? Man kann es nämlich auch bedauerlich und scheinheilig finden, daß Richard Virenque und seine Kollegen als latente Dopingsünder frühzeitig nach Hause geschickt wurden, und es kann einem regelrecht den Spaß an der Sache verderben. Marco Pantani jedenfalls hat es das. „In den Bergen ist es einfach tierisch langweilig ohne Festina“, sagt der Meisterkletterer aus dem italienischen Rennstall Mercatone Uno.
Nicht daß es Pantani (28) in den Pyrenäen an Konkurrenten gefehlt hätte, aber Festina hatte sich an den hochprozentigen Aufstiegen zum Col d'Aubisque und Tourmalet nie lumpen lassen. Richard Virenques Helfer hatten immer ein Faible für spektakuläre Attacken, mit denen sie am Berg die Gegner ihres Chefs mürbe machten. Im Rennstall Once hatten sie noch versucht, ein bißchen Leben ins Geschehen zu bringen, bis Kapitän Abraham Olano vorgestern verletzt aufgab. Wäre nicht Casino noch da, könnte man gerade noch einmal von vorne anfangen zu erklären, daß Radsport eigentlich ein Mannschaftssport ist.
Jan Ullrich jedenfalls hat nur eines im Kopf: Mit seinem Vorsprung aus dem Einzelzeitfahren von Corrèze das Gelbe Trikot defensiv über die Rampen der Tour ins Ziel nach Paris zu retten. Was an sich nicht verwerflich ist – aber einfallslos. Damit hat Pantani den Salat. „Nun kommen sie plötzlich alle zu mir und sagen, ich solle die Tour retten“, sagt er. Alle – das sind zunächst einmal die italienischen Presseleute, die ihm auch am gestrigen Ruhetag mächtig zusetzten, er solle das Rennen bloß nicht zum faden Telekom-Zirkus verkommen lassen.
Tags zuvor hatte Pantani die zweite Pyrenäenetappe mit eineinhalb Minuten Vorsprung vor Ullrich gewonnen. Im wilden Stakkato, wie gewohnt: Mal energischer im Wiegetritt, mal ruhiger im Sattel. Es war ein Versuch des Italieners, und der Plan ging auf: Einen Tag zuvor, am Tourmalet, hatte er noch vorsichtig seine Form getestet und war ohne große Anstrengung Zweiter geworden. Daß er den Giro d'Italia an den giftigsten Rampen der Dolomiten für sich entschieden hat, habe er zwar nicht vergessen, aber das sei schließlich schon vier Wochen her. Ja, und zweitens habe er erst einmal herausfinden müssen, ob Ullrich nun fit oder doch eher zu fett sei.
„Er ist“, sagt Pantani, „magerer und stärker als je zuvor. Und leider, leider ist er auch am Berg super.“ Dennoch kam der Deutsche auf dem Plateau de Beille am Limit an. Vor der heutigen 12. Etappe (222 km von Tarascon-sur-Argie nach Le Cap D'Agde) hat Ullrich noch einen Vorsprung von 3:01 Minuten auf Pantani. „Aber ich habe noch die Alpen“, sagt der. Vier Etappen genaugenommen, davon drei Pässe der höheren Kategorie. Zu wenig eigentlich für den ausgesprochenen Bergfahrer – aber besser als nichts. „Er hat einfach die bessere Mannschaft“, sagt Pantani, „aber ich habe den Trick raus, wann und wo ich ihnen die Show stehlen kann: Ich werde jedenfalls nicht ihr Spielchen spielen.“
Außer Zeitfahrweltmeister Laurent Jalabert ist sonst kaum noch einer der erklärten Favoriten im Rennen. Und bei Telekom ist man sicher, den Piraten aus Cesenatico immer noch im Einzelzeitfahren am 1. August von Montceau-les-Mines nach Le Creusot schlagen zu können, falls Ullrich an den Alpenpässen schlappmachen sollte. Wenn sie sich da mal nicht täuschen: Immerhin hatte Pantani in Lugano im Duell mit Pawel Tonkow (Mapei) den Giro allen Zweiflern zum Trotz am vorletzten Tag entschieden – im Zeitfahren. Mirjam Fischer
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