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Es gibt zwei Opfer

■ Betrifft: Artikel vom O8.O4.9O: „Tödliches Ende einer Beziehung“.

Du schreibst über das Flüchtlingsschicksal des Asylbewerbers Alimu Worku, der Lucia Valente tötete. Du beleuchtest die eine Seite in einem Fall, in dem es wohl zwei Opfer gibt. Ich würde gerne etwas zu dem anderem Opfer, zu Lucia Valente, sagen.

Lucia war acht Jahre meine Kollegin und eine Frau, die, ebensowenig wie ihr Freund, auf der Sonnenseite des Lebens stand. Nichts wünschte sie sich mehr als eine stabile Beziehung, Liebe und Geborgenheit. Sie war bereit, ganz viel zu geben, zu investieren. Das machte sie angreif - und ausnutzbar. Sie traf auf Männer, die ihre Liebe brauchten und ihr Geld. Sie hatte Beziehungen, aus denen sie sich nur schwer wieder lösen konnte, auch dann, wenn aus der Liebe bereits Abhängigkeit und Ausbeutung geworden war. Lucias Geschichte ist die Geschichte einer Frau, die als Arbeiterin einen bescheidenen Wohlstand erarbeitete.

Es ist aber auch die Geschichte der Gewalt gegen Frauen in unserer Gesellschaft. Eine Gesellschaft, in der Männer es nicht hinnehmen, daß Frauen einseitig eine Beziehung lösen, sich trennen wollen. Auch dann nicht, wenn sie, wie Lucia, am Ende ihrer Kraft sind und es nicht mehr schaffen, ein Ausgleich für Ungerechtigkeit und Ignoranz zu sein.

Männer schlagen ihre Frauen und drohen, “ Wenn du mich verläßt, bringe ich dich um.“

Viele Frauen bleiben, aus Angst, der Mann könne seine Drohung wahrmachen. Lucia hat sich über Drohungen hinweg gesetzt, sie wollte einfach nicht mehr. Dafür hat sie mit ihrem Leben bezahlt.

In der Zeitung liest man eigentlich nichts von den Frauen, die geschlagen, eingesperrt, täglich in Angst und Schrecken versetzt werden.

Man liest nur dann von ihnen, wenn sie, wie Lucia, tot sind.

Marlies Böner, Bremen 1

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