: „Es gibt kaum Stimmen für Afrika“
Wie will Christian Nakonz (64) leben? Zusammen mit dem Kontinent Afrika. Nakonz war dort fünfmal Botschafter, zuletzt in Ghana – und Generalkonsul in Karatchi, Pakistan.
Interview HAKEEM JIMO
taz: Herr Nakonz, seit dem 11. September reden viele von einer Neuordnung der Welt. Da braucht es sicher Diplomaten. Und Sie sind pensioniert.
Christian Nakonz: Zurzeit gibt es sicherlich eine Hochkonjunktur für Diplomaten. Aber jeder kann dazu beitragen, dass Besonnenheit die Oberhand behält.
Sie können nicht mehr ins Geschehen eingreifen?
Stimmt. Gerade in Pakistan wäre das jetzt eine Aufgabe. Natürlich außerhalb des Auswärtigen Amtes. Meine Frau stammt aus Pakistan. Ihre Familie ist sehr bekannt. Sie unterhält eine große Privatschule.
Haben Sie zu Ihrer Zeit als Generalkonsul in Pakistan radikalen Eifer ausgemacht?
Wenn die Attentäter vom 11. September tatsächlich aus dieser Region kommen, dann kann ich auch nur sagen, dass ich so etwas Weitgehendes damals nicht erwartet hätte. Obwohl ich in den Monaten vor dem sowjetischen Abzug einiges mit Vertretern der afghanischen Opposition, vor allem in Peschawar zu tun gehabt hatte.
Mit wem?
Ich habe sowohl mit Gulbuddin Hekmatyar (mit der Nordallianz verbündeter Militärführer, Anm. der Red.) gesprochen als auch mit gemäßigten afghanischer Führern, die damals von den USA gestärkt worden sind. Da haben wir schon erkannt, dass etwa jemand wie Hekmatyar deutlich andere Wertvorstellungen und operative Ziele hat, als sie gemeinhin in der westlichen Welt vertreten werden.
Was hat Sie in Ihrer diplomatischen Karriere am meisten geprägt?
Mit Sicherheit die vier Jahre als persönlicher Referent von Staatssekretär Günter Gaus – in den ersten vier Jahren der ständigen Vertretung bei der DDR seit Juni 1974.
Was war in Afrika besonders wichtig?
Das war jetzt in Ghana der friedliche Machtwechsel durch den Stimmzettel zur Jahreswende 2000/2001. Sowohl der Verlauf der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen wie auch der Regierungswechsel von der langjährigen Ära J. J. Rawlings zur New Patriotic Party mit Präsident J. A. Kufuor werden hoffentlich in anderen Ländern als Vorbild wahrgenommen. Das ist nicht nur der Eindruck der euphorischen ersten Wochen, sondern hat nun schon fast ein Jahr gehalten. Hierzu hat bestimmt auch die diskrete Arbeit unserer politischen Stiftungen beigetragen, die überaus hilfreich sind, ohne sich in die inneren Angelegenheiten unserer Partner einzumischen.
Sind Sie zufrieden mit dem, was Sie als Diplomat erreicht haben?
Durchaus.
Durchaus?
Allerdings – mit dem, was die Industrieländer bewirken könnten und mit dem, was tatsächlich geschieht, bin ich überhaupt nicht zufrieden. Die Behauptung der Politik, dass das 0,7-Prozent-Ziel nicht erreichbar sei (0,7% des Bruttosozialproduktes eines Industrielandes sollten der Entwicklungszusammenarbeit zugute kommen. Anm. der Red.), wird unglaubwürdig, wenn wir sehen, welche Transferleistungen innerhalb Deutschlands möglich gewesen sind und weiterfließen. Das ist ja auch gut so, dass es die gibt, dagegen will ich gar nichts sagen. Auch ich habe davon profitiert als Westberliner.
Aber?
Das, was Westberlin mit rund zwei Millionen Einwohnern jährlich bis in die 70er-Jahre an Subventionen für ein paar Kilometer U-Bahn und Straßen bekommen hat . . .
Vorsicht, Sie vergessen ja die Diplomatie.
Ich überspitze. Das war weit mehr als der gesamte Etat des Bundesministeriums für entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit allen Entwicklungsmaßnahmen. Das zeigt doch schon ein schlimmes Missverhältnis.
Fehlt es an entwicklungspolitisch interessierten Parlamentariern?
Auf jeden Fall. Es gibt zu wenige. In den Parlamenten ist es heute leider so, dass man kaum Stimmen mehr erwerben kann, wenn man sich auf Afrika spezialisiert. Nur so kann ich mir erklären, dass es immer weniger Abgeordnete gibt, die sich mit unserem Nachbarkontinent beschäftigen.
Wer zum Beispiel?
Uschi Eid (grüne parlamentarische Staatssekretärin im Entwicklungsministerium, Anm. der Red.) ist für uns ein Glücksfall. Doch diese Glücksfälle werden immer weniger. Du kriegst eine ausreichende Erhöhung des Entwicklungshilfe-Etats bei den Wählern und damit im Parlament nicht durch. Da fühlte ich mich immer wieder ohnmächtig, dass auch mein Drängen mit anderen zusammen in den jeweiligen Gremien nicht stärker dazu beitragen konnte, dass mehr und schneller Geld für Projekte fließt. Aber auch die Fähigkeit zur Zusammenarbeit ist bei vielen Partnerländern nur begrenzt vorhanden. So ist manchmal die komplette Finanzierung für ein wichtiges Infrastrukturprojekt gesichert – und jahrelang geschieht nichts Greifbares.
Was kann Deutschland dann tun?
Unsere Stärken in der Zusammenarbeit mit Ländern in der Dritten Welt ist ein Fehlen.
Was meinen Sie damit?
Ein Fehlen von prägnanten eigenen Interessen in vielen Ländern der Dritten Welt. Wir haben in der Regel in diesen Regionen keine ausgeprägten nationalen Interessen (siehe das Westafrika-Konzept der Bundesregierung www.auswaertiges-amt.de). Das macht uns weitgehend frei von gegenseitigen Erwartungen besonderer Art. Und auch unverdächtig, dass wir unangemessenen Einfluss nehmen wollen. Deshalb sind wir auch gesuchte Partner – aber leider erfüllen wir die in uns gesetzten Dialogerwartungen noch zu wenig.
Was kann man tun?
Unsere höchsten Repräsentanten sollten mehr Aufmerksamkeit für hohe Vertreter dieser Länder haben. Damit meine ich nicht mehr Zeit raubende Staatsbesuche, sondern kürzere Begegnungen ohne dicke Gesprächsmappen, aber mit einem freundlichen Foto. Andere Länder können das. Und wir Diplomaten könnten dann auf unserer Ebene intensiver weiterarbeiten.
Was ist anders im Außenministerium unter Joschka Fischer nach den langen Jahren unter FDP-Führung mit Genscher und Kinkel?
Ich kam zum Auswärtigen Amt, da war noch Gerhard Schröder von der CDU Außenminister. Zufällig war ich gerade aus Afrika in Deutschland, als jetzt Rot-Grün die Amtsgeschäfte übernahm. Es war faszinierend zu sehen, wie spontan und positiv er im AA aufgenommen wurde – vielleicht weil er frei zur Sache redete und die Mitarbeiter ansprach. Seither ist die Zusammenarbeit des Hauses mit ihm, soweit ich das verfolgen konnte, phänomenal positiv geblieben.
Tatsächlich?
Ja. Außerdem entwickelt sich jetzt eine stärkere Ausprägung der Corporate Identity mit den unter ihm eingeführten regelmäßigen Botschaftertreffen. Natürlich ohne extra Reisekosten, sondern verknüpft mit dem jährlichen Urlaub.
Das ist geradezu vorbildlich. Der diplomatische Dienst ist ja nicht überall gleich gut angesehen.
Das ist leider so. Aber er kommt allmählich weg von den alten und falschen Klischees. Auch die Wirtschaft anerkennt zunehmend, wie wir uns draußen einsetzen. Außerdem hat der Auswärtige Dienst jetzt eine grüne Leitung. Man konnte aber schon früher besondere Farbtupfer setzen. Vielleicht haben sich ja manche gewundert, doch niemand hat sich beschwert, dass ich schon lange vor Rot-Grün an von mir geleiteten Vertretungen die taz einführte. Die taz muss einfach sein – nicht zuletzt wegen ihrer Beiträge aus und über Afrika.
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