: Es gab schon mal ein Kreischen
■ Die „Rocky Horror Picture Show“-Party im Modernes: Man tanzte etwas lasch zum falsch verkündeten Geburtstag
Schon filmgeschichtlich nahm man es nicht ganz so genau. Das Hardcore-Fanzine „Gags & Gore“ und das multimediale Allround-Projekt „Virus X“ luden vergangenen Freitag zum 20. „Rocky Horror Picture Show“-Geburtstag ins Modernes. Zu früh jedoch. Denn eigentlich kam die schräge Musical-Verfilmung erst 1975 in die Kinos und brauchte immerhin noch ein geschlagenes Jahr, um sich dann vom Premieren-Flop zum Mitmach-Happening mit Reiswerfen, Wasserpistolenspritzen und zotigem Kommentieren des Leinwandgeschehens zu mausern.
Daß aber die Älteren die Bräuche unverfälscht an die Jüngeren weitergegeben haben, das zeigte sich Freitag bei der Vorführung des Rocky-Horror-Kultfilms, der den „20th Annual Transsylvanian Convention“ einleitete. Obwohl das Modernes nicht unbedingt zum Bersten gefüllt war, und sich das Publikum zunächst mundfaul gab, flogen immerhin die richtigen Gegenstände zum richtigen Zeitpunkt durch den Saal, wurde auf der Tanzfläche pflichtgemäß der „Timewarp“ aufs Parkett gelegt und schon mal gekreischt, wenn Dr. Frank N. Furter lasziv seinen Kittel abstreifte. Einige der spitzen Schreie schienen dabei von echter Spontanität; die Spätgeborenen waren vermutlich überrascht, daß Tim Curry, der gemütliche Dicke aus „Kevin allein in New York“, damals die Art von Figur hatte, für die Strapse und Glitzer-Korsagen einst erfunden wurden.
Ermutigt durch den Film und Veranstalter plus Moderator Stefan Ernsting wiegten danach ein paar Bremer Kreaturen ihre Leiber und Leibchen auf der Bühne, in der Hoffnung, den ausgerufenen Kostümwettbewerb zu gewinnen. Die „Rocky Horror“-Videokassette und der Warengutschein eines Bremer Filmladens gingen an den 26jährigen Chico, der sich unter einer handvoll Verkleideter und Geschminkter am geschmeidigsten bewegte. Schon mit 12 habe er den Film zum ersten Mal gesehen, „aber nichts verstanden, weil alles auf englisch war.“ Ob sich das bei den weiteren „fünfzehn bis zwanzig“ geändert hat, ist nicht überliefert.
Die nostalgische Verzückung, die den größten Teil des kleinen Publikums bei Nebel und Dia–Show auch nach der Preisverleihung weitertanzen ließ, wurde derweil von einigen verbissenen ThekensteherInnen nicht geteilt. „Wenn ich mir den Film heute so anschaue, ist er doch ziemlich veraltet“, sagte Christine (23), selbst angehende Filmemacherin. Den meisten Geburtstagsgästen aber kam es nicht auf geschmackliche Korrektheit, sondern auf den Spaß an. Und den hatte man zuhauf beim Programm von DJ Dr. Craut-N-Furter. Nie um ein pfiffiges Pseudonym verlegen, verbarg sich dahinter kein geringerer als „Crauts Rec.“-Label-Boss und Party-Autorität Guido Müller. Seine Gleichung „Timewarp + Iggy Pops ,The Passenger' = tanzende Menschen“ war zwar nicht neu, ging aber wie immer auf.
Vielleicht finden sich ja im nächsten Jahr mehr Partywütige, wenn der Film tatsächlich 20 wird.
Andreas Neuenkirchen
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