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FDP-Wahlnachlese„Es gab keinen Grund“

■ FDP reflektiert über ihr Scheitern

3,4 Prozent, „schlimmer konnte es nicht kommen“, fand FDP-Spitzenkandidat und Wirtschaftssenator Claus Jäger auf dem FDP-Sonderparteitag am Dienstag abend, da sei „keine Rücksicht erforderlich“ in der innerparteilichen Aufarbeitung: „Wie konnte diese Katastrophe eintreten?“ Um „schonungslose Kritik“ bat für den Landesvorstand auch Axel Adamietz. Bürgerschaftsabgeordnete und einfache Mitglieder suchten in der Aussprache nach Gründen für den „Supergau“ (Landesvorsitzender Richter) - und fanden irgendwie keine. Die FDP sei „unter Wert geschlagen“ meinte FDP-Wirtschaftspolitiker Braun. Mehr die Menschen ansprechen, war der Rat von Magnus Buhlert. Irgendwie sei auch das Bild der FDP in Bonn schuld, fanden alle, aber niemand wollte mit diesem Hinweis von den hausgemachten Gründen ablenken. Der Landesvorsitzende Richter sei nicht präsent gewesen, war eine der Erklärungsversuche, aber auch das überzeugte auch nicht ganz. Der Wähler, das unbekannte Wesen. Vollends ratlos waren die meisten dann vor der Frage, was zu tun sei.

Der Bremerhavener FDP-Politiker und Unternehmer Uwe Kramer kam auf einen Kern des Problems: Er habe sich anfangs mit voller Überzeugung für die Ampel eingesetzt. Er als Mitglied der Industrie- und Handelskammer, erklärte Kramer, habe seine Umgebung davon überzeugen wollen, daß man mit den Grünen eben doch vernünftige Kompromisse machen könne. Aber das FDP-Klientel habe den Schritt in die Ampel nicht nachvollzogen - genausowenig wie dann das Ende der Ampel.

Peter Noltenius, Jurist aus dem Bauressort, formulierte dasselbe: Das Scheitern der FDP sei „der Preis dafür, wie wir mit der Ampel umgegangen und aus ihr ausgeschieden sind“. Ökonomie und Ökologie sollten miteinander in Beziehung gebracht werden - „ein Experiment, wenn es positiv verlaufen wäre“. Für Noltenius wurde in Bremen diese „Chance vertan“. Daß ausgerechnet die FDP als Koalitionspartner den Rücktritt von Fücks gefordert und dies nicht der Opposition oder einer kritischen Presse überlassen habe, habe mit dazu geführt, daß die FDP als „Partei, die nicht sympatisch ist“ (Lambsdorff) gelte. Die FDP sei nun als Juniopartner der CDU festgelegt, in dieser Rolle sei die AfB attraktiver gewesen: „Der Wähler hat keinen Grund, uns zu wählen“.

Noltenius war mit dieser Erklärung aber allein in der Versammlung. Die meisten dankten Jäger mit großem Applaus für seinen Einsatz und trösteten sich an der mit Verve vorgetragenen Aufassung von Uwe Kramer, der Liberalismus sei immer eine Strömung einer Minderheit, der Liberalismus sei nicht davon abhängig, ob man im Parlament vertreten sei oder nicht.

Mit großer Fassung vertagte die Parteitagsregie alle Konsequenzen aus der Niederlage auf den Herbst. Landesvorsitzender Richter kündigte seinen Rückzug aus der Bremer Partei an - er hat zwei Bewerbungen zu laufen, die eine als OB in Bremenhaven, die nächste in der Geschäftsstelle der FDP in Bonn. Jäger konnte „noch nicht sagen, wie es mit mir politisch weitergeht“. Noch einmal wie 1983-1987 vier Jahre ehrenamtlich als „Parlamentarischer Arbeitskreis“ zu arbeiten in der Hoffnung, dann wieder als einfacher Abgeordneter von vorne zu beginnen - ihm war es am Dienstag nicht danach zumute. „Es steht nicht nur die Existenz des Landesverbandes in Bremen auf dem Spiel“, erinnerte er. Wer weiß, ob es die FDP in Bonn in vier Jahren noch gibt. „Irgendwann ist auch mal Ende“, meinte ein älterer Delegierter . K.W.

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