Es fehlt an Bildung: Keine Schule für Flüchtlinge
In Gifhorn können Flüchtlingskinder nicht zur Schule gehen, weil die Kapazitäten erschöpft sind. Der Landkreis setzt auf Umverteilung
Seit zwei Wochen werden Flüchtlingskinder in Gifhorn nicht mehr beschult, zunächst waren es 16, für die kein Platz mehr gefunden wurde, nun sind es über 20. Das scheitert nicht am guten Willen der Schulen vor Ort: Nachdem lange gute Arbeit geleistet worden sei, wären die Kapazitäten inzwischen erschöpft. Nun sind die Flüchtlingskinder, die eigentlich die Grundschule oder Sekundarstufe 1 besuchen würden, die Leidtragenden. So zumindest beschreiben Menschen, die das Schulsystem in der Stadt Gifhorn gut kennen, die Situation.
Die erste Kreisrätin des Landkreises, Evelin Wißmann, will das so nicht stehen lassen. Ihrer Kenntnis nach geht es um weniger Schüler und einen Zeitraum von fünf Tagen – danach beginnen die niedersächsischen Schulferien. Sie räumt allerdings ein, dass es dauern kann, bis die neuesten Zahlen auf ihrem Schreibtisch landen.
Unstrittig ist der Hintergrund der Misere: dem Landkreis sind seit Ende letzten Jahres viele Flüchtlinge vor allem aus den Balkanländern zugewiesen worden, weil die Landesaufnahmebehörde überfüllt ist: derzeit sind es 958 Menschen, bis September sollen noch 382 hinzukommen. Die Kreisrätin formuliert es drastisch: „Die Landesaufnahmebehörde wälzt die Probleme auf uns ab“, auch vom Land komme „wenig Unterstützung“. Sie schlug dem Land vor, entweder eine schulische Außenstelle in der Flüchtlingsunterkunft Clausmoorhof einzurichten – das scheiterte an zu wenig Lehrkräften – oder aber die Kinder, von denen einige nicht alphabetisiert seien, von der Schulpflicht zu befreien. Sie sollten im Flüchtlingslager auf den künftigen regulären Unterricht vorbereitet werden.
Das aber lehnte das Kultusministerium ab: es sei weder rechtlich noch pädagogisch sinnvoll, die Flüchtlingskinder gesondert zu unterrichten. Tatsächlich ist die Aufnahme von Flüchtlingskindern in die niedersächsischen Schulen durch einen Erlass vom Juli 2014 geregelt. Das Nichtbeherrschen der deutschen Sprache stellt ganz ausdrücklich „keinen Verweigerungsgrund für die Aufnahme die Schule“ dar.
Und laut niedersächsischem Schulgesetz ist schulpflichtig, wer seinen „gewöhnlichen Aufenthalt“ im Land hat – das gilt, wenn jemand, auch ohne sich ständig niederlassen zu wollen, mindestens fünf Tage dort wohnt. Wo Schulpflicht herrscht, müsste andererseits ein Recht auf einen Schulplatz bestehen: „Darüber streiten sich die Geister“, sagt Kreisrätin Wißmann.
Sie erwartet eine Lösung des Problems von der geplanten Umverteilung von Flüchtlingen von der Unterkunft Clausmoorhof nach Ehra-Lessien, wo auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz eine neue Flüchtlingsunterkunft entsteht. Für die Beschulung der dort lebenden Kinder ist nicht weiter der Landkreis Gifhorn, sondern Brome zuständig. Dort sind bislang deutlich weniger Flüchtlinge ansässig, zudem soll eine neue Sprachlernklasse eingerichtet werden.
Die neue Unterkunft ist allerdings umstritten: Der niedersächsische Flüchtlingsrat kritisiert sie wegen der abgelegenen Lage als „Isolationslager“. So bleibt die einzig gute Nachricht, dass eine solche Nicht-Beschulung wie in Gifhorn für den Flüchtlingsrat „eher eine Ausnahme“ ist.
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