: Erziehung zur Autophilie?
■ Betr.: "Recht aufs Auto", Ökolumne von Hermann-Josef Tenhagen, taz vom 11.12.93
[...] Verbittert, daß ich mir kein neues Auto leisten kann? Nein, nur Realist geworden, nachdem ich mir folgendes durch den Kopf habe gehen lassen:
In den acht Jahren, die ich den damals 1.000 DM kostenden Führerschein nun habe, habe ich zehn Autos für insgesamt 14.800 DM gehabt, in dieser Zeit knapp 60.000 Kilometer abgespult, die Ehre gehabt, an drei (unverschuldeten) Unfällen teilzuhaben mit insgesamt 35.000 DM Sachschaden, Reparaturen von 10.000 DM finanziert, für zirka 25.000 DM Benzin geordert, Strafzettel (mangelnde Parkmoral!) für zirka 400 DM kassiert, Steuern in Höhe von zirka 4.000 DM gezahlt, die Versicherung mit zirka 7.000 DM gemästet und Extras für mindestens 3.000 DM gerafft. In der Gesamtbilanz hat meine Autophilie also mich und die Gesellschaft monatlich 1.044 DM gekostet. Nicht mit eingerechnet sind die Kosten für die durch mich verursachten und zu reparierenden Umweltschäden, weil ich acht Jahre lang zu faul war, öffentlich zu fahren. Dies hätte mich im übrigen in derselben Zeit (nach dem heutigen Münchener Preis des MVV) 5.232 DM = 54,50 DM pro Monat gekostet!
Ich stelle fest, daß mir die Lauferei (zu den ach so weit entfernten Haltestellen) ganz gut tut, daß ich auch im Stehen (in Bus und Bahn) mehr (taz) lese und auch viel pünktlicher zu sämtlichen meiner Termine komme. Das Geld, das ich jetzt spare, das kann ich gar nicht verfressen, soviel macht das im Endeffekt aus.
[...] Ich bin wirklich mal gespannt, wann noch mehr Leute in den Städten auf den Geschmack kommen werden und die Karre abschaffen. In den ländlichen Bezirken ist das natürlich weniger lustig, denn da gehen morgens, mittags und abends ein bis drei Busse, und damit hat sich's dann aber auch – Erziehung zur Autophilie? Matthias Rottler, München
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen