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Erstmals seit 1979 ein Tag ohne taz „Wie Ferrari oder VW-Golf“

Uli Küsters ist seit Gründung der Zeitung dabei. Bevor er nun in Rente geht, plaudert er aus dem Säzzerkästchen.

Uli Küsters (l.) Anfang der achtziger Jahre im Verlagsgebäude in der Westberliner Wattstraße Foto: taz

23.04.2022 | Erstmals seit 1979 ist kürzlich eine Ausgabe der taz nicht erschienen. Im Interview erläutert taz-Urgestein Uli Küsters den Vorfall aus Sicht der taz-Produktionsabteilung.

Interview MORITZ FINDEISEN

taz am wochenende: Uli, du bist seit der ersten Stunde der taz dabei. Gab es das schon mal, dass eine Ausgabe ausgefallen ist?

Uli Küsters: Nein, das kam bisher noch nie vor, trotz aller kritischen Situationen, die die taz erlebt hat.

War das einfach nur Glück?

Ich würde nicht sagen, dass es ein reiner Glücksfall war. Das lag auch an unserer EDV-Abteilung, die immer super funktioniert und fortschrittlich geplant hat. Natürlich gab es zwischendurch auch mal kritische Situationen, aber die konnten immer rechtzeitig behoben werden, um die Zeitung zu produzieren – auch, wenn es manchmal stressig war. Ganz absturzsicher ist kein System. Solange unsere Server noch im eigenen Haus waren, konnten wir auf Fehler aber direkt reagieren. Bei einem Stromausfall hätten wir sofort das Notstromaggregat angeworfen. Im jetzigen Fall hatte unsere EDV keine Einflussmöglichkeit mehr. Das ist der Preis des Outsourcing.

Nimm uns mal mit ins vordigitale Zeitalter: Wie war die Technik bei der taz-Gründung?

Wir haben von Anfang an auf dem höchstmöglichen technischen Level produziert. Das war damals der Fotosatz, damit konnten Texte zum ersten Mal an fernsehgroßen Geräten digital gespeichert werden. Schriftart, Zeichengröße und Zeilenabstand wurden noch als Codes eintragen. Die Diskette mit dem fertigen Artikel kam dann an den Belichter, der den Text auf lichtempfindliches Papier projiziert hat, alles in einer langen Spalte. Je nach Zeilenzahl kamen da Papierfahnen mit bis zu zwei Metern raus. Die wurden vom Layouter anschließend zurechtgeschnitten und von Hand auf einem leeren Papierbogen zusammengebastelt. Dann wurde die fertige Seite nochmals abfotografiert und die Negative gingen in halsbrecherischer Fahrt zum Flughafen Tegel, um sie rechtzeitig zur Druckerei nach Frankfurt am Main zu fliegen.

Wann kamen die ersten Computer ins Spiel?

Da waren schon Computer im Einsatz, aber natürlich nicht so wie heute. Alle Texte wurden auf Papier getippt und von uns Setzern elektronisch erfasst. Der nächste Fortschritt war, dass wir die Texte per Modem an die Druckerei übertragen konnten. Dort mussten sie weiterhin belichtet und zusammengebaut werden. Die digitale Seitenübertragung kam erst Anfang der Neunziger.

Welche Technik war zuverlässiger?

Beim Fotosatz hatten wir nie Ausfälle, der war unglaublich solide. Das ist wie bei einem Ferrari im Unterschied zum VW-Golf: Je komplexer die Technik, desto anfälliger. Wenn der Ferrari 30 Runden fährt ohne Reparatur, ist das schon eine Sensation.

Eine Gründungsidee der taz war, die Trennung zwischen Kopf- und Handarbeit aufzuheben. Hat das geklappt?

Unsere zwei Grundpfeiler waren: kein Chef und Einheitslohn. Zehn Jahre haben wir das gut durchgehalten. Die Leute in der Technik haben genauso bei den Inhalten mitgeredet wie die Redakteure. Manchmal haben wir in eckigen Klammern direkt einen Kommentar dazu gepackt: [Was schreibst du für einen Unsinn?, der Säzzer.] Die „Säzzer“-Kommentare waren legendär. Für mich waren die ersten zehn Jahre wie ein kurzer Sommer der Anarchie.

Wie liest du zukünftig die taz: gedruckt oder digital?

Für mich ist eine Zeitung wie ein Buch: Ich brauche etwas in der Hand. Begreifen kommt von Greifen. Deswegen sollte auch das Printformat niemals eingestellt werden, wenn es nach mir ginge.

Von Moritz Findeisen, Praktikant der taz am Wochenende.