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Erstmals mehr Arbeitslose unter Rot-Grün

Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Arbeitslosigkeit im August um 8.100. Bundesanstalt-Chef Jagoda macht dafür die „konjunkturelle Schwäche“ verantwortlich und äußert sich sehr skeptisch zu den Erfolgsaussichten von Kombilöhnen

NÜRNBERG dpa/ap ■ Jetzt ist es amtlich: Erstmals seit dem Regierungswechsel 1998 ist die Zahl der Arbeitslosen über das Niveau des Vorjahres gestiegen. Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg nahm die Zahl der Arbeitslosen binnen Jahresfrist um 8.100 auf 3.788.800 zu. Im Vergleich zum Juli sank die Zahl der Jobsucher nur um 9.900 – und damit deutlich schwächer als im August 2000.

Die Arbeitslosenquote lag im August unverändert bei 9,2 Prozent – in den neuen Bundesländern bei 17,1 Prozent, in den alten Ländern bei 7,3 Prozent. „Die Arbeitslosigkeit hat sich auch im August nicht günstig entwickelt“, konstatierte der Präsident der Nürnberger Bundesanstalt, Bernhard Jagoda. Eine wesentliche Ursache dafür sei die „konjunkturelle Schwäche“.

Mit Einschätzungen für den Monat September hielt sich Jagoda aufallend zurück. Von seiner bereits im Frühsommer korrigierten Prognose von 3,7 Millionen Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt rückte Jagoda unterdessen weiter ab: „Es ist zu erwarten, dass wir nicht bei 3,7 Millionen herauskommen“, sagte er.

Etwas Positives gab es dann doch noch: Die um jahreszeitliche Einflüsse bereinigte Zahl der Arbeitslosen ist im August erstmals in diesem Jahr wieder leicht gesunken – und zwar um 2.000. Jagoda warnte allerdings vor einer Überinterpretation dieses Rückgangs. Er sei im Wesentlichen auf das in diesem Jahr frühere Ferienende in drei großen ostdeutschen Ländern zurückzuführen. Ohne diese Sonderfaktoren wäre die saisonbereinigte Erwerbslosenzahl um rund 4.000 gestiegen.

Offenbar als Reaktion auf die wachsende Kritik an den hohen Kosten für die aktive Arbeitsmarktpolitik der Arbeitsämter sprach sich Jagoda für „Kontinuität“ auf diesem Gebiet aus. Auch die umstrittenen ABM-Maßnahmen seien notwendig, um die Chancen von Benachteiligten auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Im Osten seien damit wichtige Infrastrukturmaßnahmen geschaffen worden.

Sehr skeptisch äußerte sich Jagoda über die Erfolgsaussichten des von Grünen und Union geforderten „Kombilohnes“. Dieser könne die Arbeitsmarktpolitik ergänzen, werde die Arbeitslosigkeit aber kaum senken, sagte Jagoda. Viele Arbeitslose seien jetzt schon bereit, Niedriglohn-Stellen anzunehmen, ohne dass dies die Arbeitslosenzahl deutlich verringere. Die Grünen wollen Kombilöhne für Langzeitarbeitslose, die bei Aufnahme einer niedrig bezahlten Tätigkeit befristete Zuschüsse erhalten sollen. Ein ähnliches Modell befürwortet die Union.

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