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■ Erster Verlegerprotest gegen Kirchs Dominanz bei SAT1Wer wirft den zweiten Stein?

Die 116 bundesdeutschen Verleger hatten es sich seinerzeit idyllischer vorgestellt. „Pluralistisch engagieren“ wollten sie sich im gerade entstehenden Privatfernsehen und beteiligten sich mit 20 Prozent an SAT1. Springer war in ihrer Verlegergemeinschaft in der Minderheit, und als Großgesellschafter bei SAT1 bot sich ein Herr Leo Kirch an, seines Zeichens Filmhändler, der ihnen mit seinem Archiv doch wohl nur von Nutzen sein konnte.

Ein Jahrzehnt später hat sich das Bild gewandelt. Kirch hat den Sender überrollt. Gemeinsam mit Springer, wo er auch das Sagen hat, verfügt er bei SAT1 über 69 Prozent. Und die Filmpakete, die er auf dem Sender abspielen läßt, läßt er sich teuer bezahlen. Daß die Gewinne in Kirchs Taschen fließen, während die mittelständischen, meist konservativen Verleger mit SAT1 Verluste machen, mag diese schon länger gewurmt haben. Jetzt gehen sie an die Öffentlichkeit, mit einem Brief, den einer der Renommiertesten unter ihnen, der Kölner Alfred Neven DuMont, unterschrieben hat. Gegen die Privatisierung der Gewinne bei Kirch/Springer und die Sozialisierung der Verluste bei ihnen – und gegen die „Ausschließlichkeit“, mit der SAT1 und sein Propagandadirektor Heinz Klaus Mertes Kanzlerpolitik machen.

Die Fakten über Kirch sind bekannt: Bei Springer hat Helmut Kohls Freund gerade den Machtwechsel inszeniert, die Zeitungen des Konzerns werben vorzugsweise für seine Fernsehprogramme, die wiederum lassen mit Vorliebe (wie gestern abend wieder auf SAT1) den Kanzler „Zur Sache“ kommen. Und alle Fernsehsender, die Öffentlich-Rechtlichen inklusive, sind auf seine Filmpakete angewiesen. Eine Konzentration von (auch) politischer Medienmacht, wie sie der verstorbene Axel Caesar nicht sein eigen nannte.

Dennoch scheint sich außer einigen linksliberalen Medien, dem Konkurrenten Helmut Thoma von RTL und jetzt den düpierten Zeitungsverlegern kaum jemand ernstlich über die rücksichtslose, weil konsequente Monopoly-Strategie des Leo Kirch aufzuregen. Zu erklären ist das nicht mit den komplizierten Beteiligungsverhältnissen bei den Medienunternehmen. Um einen radikalen Neubeginn bei der gescheiterten Konzentrationskontrolle durch die Medienanstalten der Länder zu fordern, braucht man schließlich keine Prozentzahlen herunterbeten zu können.

Auch die – berechtigte – Klage, daß die Medienpolitik der SPD sich grosso modo auf Ansiedlungsförderung für Medienunternehmen in ihren Bundesländern beschränkt und daß die Grünen völlig abgetaucht sind, hilft nicht viel weiter. Die Frage lautet, warum niemand die Parteien fordert. Warum „Media Watch“ ein winziger, von der Heinrich-Böll-Stiftung geförderter Verein geblieben ist. Warum die Öffentlichkeit es hinnimmt, daß ein so meinungsmächtiger Mann wie Kirch jedes Interview verweigert. Warum Schleswig-Holsteins Medienkontrolleure sich den Bären aufbinden lassen dürfen, Leo Kirchs Sender hätten mit Pro7, das seinem Sohn Thomas gehört, nichts zu tun.

Ohne gesellschaftlichen Druck wird auch von der SPD weiter der Proporz verwaltet: Bertelsmann und seine Sender als Gegengewicht zu Kirch. Ein gescheitertes Konzept. Denn mit der Dreistigkeit einer gesponserten Kanzlerreise zur Fußball-WM oder der Kohlschen Selbstinszenierung auf SAT1 können weder RTL noch Vox mithalten. Aber in Italien mußte Berlusconi ja auch erst höchstpersönlich Ministerpräsident werden, bevor man begann, über eine Entflechtung seines Medienimperiums nachzudenken. Michael Rediske

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