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 ■ Erster Bremen-Besuch von ZwangsarbeiterInnen nach dem politischen Kompromiss / Gestern war Empfang im Rathaus / Ab heute besuchen die 20 polnischen Gäste ehemalige ArbeitsplätzeZwangsarbeiter: Tun, was verboten war

Die Bremer Botschaft an 20 ehemalige ZwangsarbeiterInnen aus Polen lautet: „Willkommen. Wir sind dankbar, dass sie unserer Einladung gefolgt sind.“ So trat gestern der Leiter des Bremer Staatsarchivs, Hartmut Müller, für den Verein Walerjan Wrobel im Rathaus vor die Gäste. „Sie hatten schon Gelegenheit sich umzusehen, ganz ohne Angst, in der Stadt, in der ihnen früher so gut wie nichts erlaubt war“, knüpfte Müller an deren bremische Vergangenheit an. Und an die nahe Zukunft: „Wir sind dankbar, dass wir mit Ihnen jetzt alles tun dürfen, was Ihnen damals verboten war.“

Verboten war ZwangsarbeiterInnen im NS-Staat das Verlassen des Zwangsarbeitsplatzes, Straßenbahn- und Fahrradfahren, Fotografieren, der Aufenthalt im Park, Tabu waren die meisten Gasthäuser, das Singen polnischer Lieder - und die Liebesbeziehung mit Deutschen. „Aber sie durften arbeiten“, rief Müller die bedrückende Vergangenheit wach. „Sie durften sich als Polacken beschimpfen lassen. Und sterben, krank vor Sehnsucht, oder von Bomben erschlagen.“ Da hatten manche Gäste sich schon Tränen aus den Augenwinkeln gewischt und fast dankbar aufgelacht, als Bürgermeister Henning Scherf die schwere Stimmung vom verbotenen Gestern mit dem erlaubten Heute durchbrach: „Mit der Liebe klappt das nicht mehr in dem Alter“. Er sei selbst Großvater. Zuvor hatte Scherf, wiederholt unterbrochen vom Applaus der Gäste, deren Besuch einen „guten Anfang“ genannt. Deutschland wolle sich dem Unrecht stellen. Das zeige der Beschluss des Bundestags zu Entschädigungszahlungen. In Bremen habe sich „eine wachsende Zahl von 17 Firmen“ sowie sieben anonym an den Zahlungen beteiligt. „Wir möchten, dass die Wirtschaft sich nicht drückt“, so Scherf. Hartmut Müller dagegen, dessen Verein Walerjan Wrobel an das Todesurteil gegen den heimwehkranken polnischen Jungen Walerjan erinnert, der die Scheune „seines Bauern“ anzündete, „in der Hoffnung, er werde nach Hause geschickt“, hatte „vom unwürdigen Feilschen“ gesprochen. Er sei froh, dass dieses Kapitel nun abgeschlossen sei. Doch werde er die Ausgrenzung der Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft dabei „nie akzeptieren“. Er hoffe nun auf andere Möglichkeiten. ede

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