Erste temporäre Spielstraße in Berlin: Freies Spiel für freie Kinder

Kinder statt Autos: In Kreuzberg hat die erste temporäre Spielstraße eröffnet. Sie soll zum Vorbild für weitere Initiativen werden.

Kinder spielen auf der Straße, im Vordergrund ist ein Schild zu sehen

Die einzigen Fahrzeuge auf der Böckhstraße waren am Mittwochnachmittag Bobby-Cars Foto: Malte Kreutzfeldt

Bälle fliegen durch die Luft, Kinder und Erwachsene spielen auf der Straße Fangen, und die Park­inseln sind kleine Fußballfelder: Die Kreuzberger Böckhstraße ist am Mittwoch als temporäre Spielstraße eingeweiht worden. Im Straßenabschnitt zwischen Grimm- und Graefestraße kann nun mittwochs zwischen 14 und 18 Uhr gespielt werden. Jährlich von Anfang April bis Ende September.

Angezeigt wird die Zone mit dem „Durchfahrt verboten“-Schild, nicht mit dem blauen Schild mit den spielenden Menschen, das umgangssprachlich gerne Spielstraße genannt wird. Das zeigt nur verkehrsberuhigte Bereiche an, Autos dürfen dort durchfahren. Die temporären Spielstraßen sind hingegen zu bestimmten Zeiten autofrei.

„Das ist richtig cool, weil wir jetzt auf der Straße spielen können, ohne Angst vor Autos zu haben“, sagt Fine. Sie und ihre Freundin Alma stehen in einer Parkinsel und spielen mit zwei Hula-Hoop-Reifen.

Die Idee, autofreie Zonen einzurichten, ist nicht neu. Vor fünf Jahren begann Cornelia Dittrich ihr Engagement in der Gudvanger Straße in Pankow. Und scheiterte an den Anwohner*innen. Zwar meldete der Bezirk die Spielstraße als wöchentliche Veranstaltung an, doch nach der Klage einer Anwohnerin entschied das Verwaltungsgericht: Spielende Kinder sind keine Veranstaltung. Ein Jahr später dann der neue Versuch. Es sollte nur alle 14 Tage gespielt werden. Wieder gab es Kritik: Vor Gericht wurde eine Einigung erzielt, die das Spielen einmal im Monat erlaubt. Passiert ist seitdem nichts.

Bezirk war sehr offen für die Initiative

Dieses Mal in Kreuzberg lief es anders: Dittrich gründete im März ein breites Bündnis, an ihrer Seite stehen die Berliner Kinder- und Schülerläden, der Bund und das Deutsche Kinderhilfswerk. Ihr Ziel: lokale Initiativen in Nachbarschaften bei der Einrichtung temporärer Spielstraßen zu unterstützen. Dafür müssen sich Anwohner*innen organisieren und einen Ein­wohner*innenantrag mit derzeit 1.000 Unterschriften beim Bezirk stellen.

Nach einer solchen Initiative wurde nun die Böckhstraße zur temporären Spielstraße. „Wir haben gesagt: Wir machen das jetzt einfach“, sagt Felix Weisbrich, Leiter des Straßen- und Grünflächenamts des Bezirks. Denn das Spielen sei ein wichtiger Teil des städtischen Lebens. Es gibt eine Vereinbarung mit dem Amt: Die Anwohner*innen müssen selbst anpacken und als Schrankenwärter*innen agieren. Im Notfall sind diese auch dafür zuständig, die Feuerwehr durchzulassen. Fahrräder und E-Tretroller müssen geschoben werden.

„In London wurde ein ähnliches Projekt vor drei Jahren angestoßen. Heute gibt es dort über 100 Spielstraßen“, sagt Ditt­rich. Möglich wurde das durch ein einfaches Beantragungs­verfahren. Sie hofft auf ein Entgegenkommen der Bezirke. In der Gudvanger Straße will sie einen neuen Anlauf wagen. „Wir freuen uns drauf: Es ist etwas, was wir wollen“, sagt Weisbrich zu möglichen Nach­ahmer*innen in Friedrichshain-Kreuzberg.

In der Straße gibt es viele Kinder. Es gibt eine Schule, Kindergärten und eine Montessori-Einrichtung. „Kinder haben immer weniger Möglichkeiten, ohne Gefahr auf der Straße zu spielen“, sagt Felix Morales. Er ist Leiter des Kinderladens Bunte Mischung und möchte die Spielstraße schon jetzt nicht mehr missen: „Es ist wichtig, dass Kinder vor der Tür einen Raum haben, wo sie spielen können.“

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